: ÖTV-Basis rebelliert
Auf dem Bundeskongress kritisieren Gewerkschafter die eigene Spitze, weil sie zu nett zur rot-grünen Regierung sei
LEIPZIG reuters/dpa/ap ■ Beim Bundeskongress der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) ist es zu einer heftigen Debatte über den Verlauf der jüngsten Tarifrunde gekommen. Einige Delegierte warfen der ÖTV-Führung vor, gegenüber der rot-grünen Bundesregierung und den öffentlichen Arbeitgebern zu nachgiebig gewesen zu sein.
Mit Blick auf die geplante Rentenreform der Bundesregierung wurde bemängelt, die ÖTV-Führung setze sich nicht massiv genug für die Positionen der Gewerkschaft ein. Mehrere Delegierte warfen Gewerkschaftschef Herbert Mai während der Debatte über seinen Rechenschaftsbericht vor, er habe kommentarlos hingenommen, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder in Leipzig Änderungen an der Rentenreform abgelehnt hatte. „Wir hätten uns gewünscht, du wärest als Vorsitzender kämpferischer aufgetreten“, sagte ein ostdeutscher Delegierter.
Mai wies die Kritik zurück und gab sich betont offensiv. Das „Basta“ von Schröder zur Einführung einer privaten Altersvorsorge habe zwar für dessen Kabinett Bestand. Im Bundestag aber werde die Gewerkschaft weiter mit den Fraktionen von SPD und Grünen dagegen kämpfen.
Schröder hatte am Sonntag unter Buh-Rufen und Pfiffen Kritik an der Rentenreform mit den Worten zurückgewiesen: „Wir werden es machen. Basta.“ Voraussichtlich heute Abend wollen die Delegierten darüber abstimmen, ob die ÖTV sich weiter an der Fusion zur Vereinten Dienstleistungsgesellschaft Ver.di beteiligt. Der Hauptvorstand hat einen Antrag zur Weiterführung des Projekts eingebracht.
Es liegt aber auch ein Antrag vor, der den Ausstieg aus Ver.di verlangt. Die Kritiker bemängeln insbesondere einen Machtverlust der ÖTV im neuen Gewerkschaftsgiganten. Sollten die Delegierten den Weg für Ver.di frei machen, steht die endgültige Entscheidung auf einem außerordentlichen Gewerkschaftstag im März 2001 an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen