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NACH VER.DI-ABSTIMMUNG: ÖTV-CHEF MAI TRITT NICHT MEHR ANZu viel der Kränkungen

Nicht wenige Verbandschefs und auch Politiker kommen erst dann zu Ruhm, wenn sie vorzeitig abtreten. So auch der Chef der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Herbert Mai. Mit seinem gestrigen Entschluss auf dem Gewerkschaftstag in Leipzig, nicht zur sicheren Wiederwahl anzutreten, hat Mai mit einem Schlag die Mammutgewerkschaft ÖTV politisch und auch organisatorisch in Frage gestellt. Die Gewerkschaft entpuppt sich als Körper aus eigensüchtigen Funktionären, die sich schwer tun, Zukunftspläne zu entwickeln und umzusetzen. Die Botschaft aus dem Desaster von Leipzig lautet: Die ÖTV ist überfordert damit, über ihre eigene Zukunft zu bestimmen, und hat deswegen den Gewerkschaftsvorsitzenden über Gebühr gebeutelt und gekränkt. Jetzt muss sie den Preis dafür bezahlen. Wie hoch der am Ende wirklich ist, steht noch nicht fest.

Mai will nicht wieder bei der Wahl zum ÖTV-Vorsitzenden kandidieren, weil die Probeabstimmung zur Gründung einer neuen Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di nicht eine angepeilte Mehrheit von 70 Prozent ergab. Stattdessen stimmten nur 65 Prozent der Delegierten für die Verschmelzung. Mai hätte das Ergebnis der Probeabstimmung zwar folgenlos hinnehmen können: Bis zur endgültigen Entscheidung im März ist noch eine Weile Zeit, und möglicherweise hätte dann doch eine überwältigende Mehrheit für eine Verschmelzung von ÖTV, DAG, IG Medien, HBV und Postgewerkschaft zur neuen Superorganisation Ver.di gestimmt. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass die Basis dem Vorsitzenden erst mal einen Denkzettel verpasst, aber dann im Ernstfall doch die Zukunft der Gesamtorganisation nicht gefährdet. Doch diesmal ging die Rechnung der Delegierten nicht auf. Im Moment scheint es keinen unattraktiveren Posten zu geben als den des ÖTV-Vorsitzenden. Wer will sich schon als Nächstes zum Buhmann machen lassen?

Es ist lächerlich, wenn der ÖTV-Bezirksleiter aus Sachsen-Anhalt, Manfred Bartsch, behauptet, der seit drei Jahren angeschobene Fusionsprozess hin zu Ver.di sei nicht ausreichend mit der Basis diskutiert worden. Was heißt eigentlich „Basis“? Und was heißt „diskutiert“? Das sind Sprechblasen, die den Verdacht erhärten, dass es diesen Gewerkschaftsvertretern nur um Machtfragen geht. Schließlich würde mit Ver.di die Macht vieler ÖTV-Funktionäre geschmälert. Es war eine Fehleinschätzung, zu glauben, dass sich eine große Organisation freiwillig für ihre Selbstauflösung entscheiden könnte. Jetzt droht der ÖTV die Spaltung in den eigenen Reihen. Das hilft am allerwenigsten den Mitgliedern. Deren Interessen gibt es übrigens auch noch.

BARBARA DRIBBUSCH

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