piwik no script img

Video Americana

■ Kino 46 zeigt die Radio-Bremen/Arte-Produktion „Pop Secrets and other roadside“

Wenn man Kommerzradio hört und Viva oder MTV sieht, muss man glauben, in den USA macht gerade mal eine Hand voll von Stars Musik, und die ist perfekt, synthetisch und seelenlos. Diesen Eindruck korrigiert der junge Filmemacher Marcus Behrens mit einer Dokumentation, für die er quer durch Nordamerika fuhr, um dort junge Menschen kennenzulernen, die Musik machen oder sie in alternativen Radiostationen pflegen.

Da gibt es eine Band in Seattle, die Countrymusik, HipHop und literarische Poesie miteinander verbinden will oder eine junge Cellospielerin in San Franzisco, die in einem Stück Bach und Punk zusammenstreicht und dazu auch noch singt. Der Film bleibt dabei immer bewusst an der Oberfläche: keiner redet etwa darüber, wie sauer er sein Geld verdient, oder wie schwer es ist, sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen. Weil inzwischen ja alles in den USA Entertainment ist, sind auch alle halbwegs kompetente Entertainer, und so sind diese Selbstporträts durchweg unterhaltsam, witzig und sympathisch.

Am meisten hat es Behrens dabei Madeline Minx angetan. Die junge Frau aus Michigan will ein Star werden und weiß, dass dafür das Image wichtiger ist als die Musik. Im Film sehen wir sie auf der Straße von San Francisco bei ihrem Werbefeldzug für das Projekt „Pushy“, das natürlich nur aus ihr besteht. Das sie eine „one-woman-band“ ist, die im selbst erfundenen „Pop-tronica“-Stil singt und spielt, ist dabei nebensächlich. Spannender ist es, die aufgedrehte, witzige Frau zu beobachten, wie sie auf der Straße PassantInnen anspricht, ihnen Sticker aufdrängt und versucht, sich selber zur Celebrity zu stilisieren.

Wie nebensächlich bei dieser Vermarktung das Produkt ist, zeigt sich spätestens in der Mitte des Films, denn Behrens hat mit „Pushy“ auch ein Musik-Video gedreht und es in den Film integriert, das aber nach all der Aufregung vorher in seiner konventionellen Knalligkeit eher enttäuscht. Stilistisch fällt es allerdings nicht aus dem Rahmen, denn der zweistündige Film ist generell im nervösen Stil moderner Popvideos konzipiert. Natürlich wird, zwischen New Orleans und Las Vegas, auch viel Auto gefahren, und den „drive“ über die Golden Gate Bridge zeigt Behrens gleich mehrfach. Er ist ja nicht der erste Filmemacher, der so der Faszination des Landes erliegt und sich vor dessen Image verbeugt.

So liefert der Film tatsächlich eine ganze Menge amüsanter „roadside attractions“, und die versprochenen „Pop Secrets“ bestehen darin, dass junge weiße AmerikanerInnen (nur solche stellt uns Behrens vor) in den Garagen ihrer Eltern immer noch versuchen, den Rock'n'Roll neu zu erfinden. hip

Premiere: heute um 20.30 Uhr als OmU-Fassung im Kino 46 (Wiederholung morgen, gleiche Zeit). Am 16.12 strahlt Arte den Film mit deutschen Untertiteln aus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen