britische arbeiterklasse: richard billinghams „ray’s a laugh“

Ursprünglich sollten ihm die Fotos nur als Vorlagen dienen, denn Richard Billingham studierte an der Kunstakademie der Universität Sunderland Malerei. So begann er 1990 seine Familie in ihrer engen Sozialwohnung aufzunehmen: den Vater, einen dünnen, ausgemergelten Alkoholiker, die Mutter, eine über und über tätowierte, fettsüchtige Frau, und seinen jüngeren, enigmatischen Bruder, der seltsam zufällig in den Bildern auftaucht. Der Vater nennt Jason, den Bruder, „aufsässig“, während der über seinen Erzeuger sagt, er sei ja wohl „ein Witz“. „Ray’s a Laugh“ hieß dann auch der Bildband, in dem Billingham 1996 fünfundfünfzig seiner Fotografien veröffentlichte und damit weithin bekannt wurde. Ungeniert hat er mit seinem Blitz auf das desolate Familienleben gehalten. Unscharf, grell, bunt, verwackelt, überbelichtet und oft genug aus einem völlig abstrusen Aufnahmewinkel: Die ungeschönte Schnappschussästhetik von „Ray's a Laugh“ rührt ganz offensichtlich nicht aus der fotografischen Sozialarbeiterperspektive her. Billingham ist von seiner verwahrlosten Familie fasziniert, sie nimmt ihn gefangen, emotional, aber auch künstlerisch, und das macht die Wucht seiner Bilder aus. Seit einem Jahr war der Bildband vergriffen, jetzt hat ihn der Scalo Verlag in Zürich wieder aufgelegt, in einer preiswerten Softcoverversion für 48 Mark. WBG