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Im siebzehnten Himmel

Wir spielen eure Lieblingsmelodien: „Global Player“, das Debütalbum von Vredeber Albrecht und seinem Projekt Commercial Breakup, ist von Musik und Geist der Achtzigerjahre beseelt. Doch genauso steht es mit all seinen Beats, Brüchen und Spielereien: schön, selbstverständlich und fest in der Neuzeit

„Wenn ich allein zu Hause am Rechner sitze, kommt irgendwann der Punkt, an dem ich denke, da sollte das eigentlich hin, genau so.“

von GERRIT BARTELS

Erst mal einen Cola-Whiskey. Vredeber Albrecht ist etwas genervt an diesem Freitagnachmittag, er hat wegen der großen Demonstration gegen rechts lange im Stau gestanden und erscheint nun verspätet zum verabredeten Termin im Café Adler in Mitte. Allerdings, so Albrecht, könne man sich ja so langsam den angenehmen Dingen des Lebens zuwenden. Zu denen gehört sicherlich auch das dieser Tage veröffentlichte, ganz unbescheiden „Global Player“ betitelte erste Album seines Musikprojektes Commercial Breakup. Dieses lässt einen von den ersten Pianotönen des Openers „All I Love Is Green“ bis zum letzten Song „Nothing But A Lie“ tatsächlich nur an die angenehmen Dinge des Lebens denken – „Global Player“ gelingt es, gut zu suggerieren, dass das Leben nicht leicht, aber schön ist. Cola-Whiskey braucht es da eigentlich keinen.

Elf Songs als Glücksbringer, mit deinen Melodien, unseren Melodien, Lieblingsmelodien, Pop. Songs, die mal dominiert werden von der mitunter gewöhnungsbedürftigen, piepsig-elfenhaften Stimme von Albrechts Partnerin Elke Brauweiler (sonst bei Paula zugange), mal von Albrechts Synthie- und Computerarrangements, oft genug aber in einem perfektem Gleichgewicht stehen. Dafür brauchen die beiden sich nicht mal häufig zu sehen. Da reicht es, dass Albrecht die Musik komponiert, Elke die Bänder schickt und diese sich dann Gesangsmelodien und Texte dazu überlegt.

Vergleichen kann man Arbeitsweise und Musik von Commercial Breakup gut mit einem Genre wie TripHop oder Bands wie Saint Etienne, Moloko oder The Beloved. Doch die andere Richtung, die andere Tradition, geben die beiden gleich selbst mit zwei Coverversionen vor: „Bizarre Love Triangle“ von New Order und „Suffer The Children“ von Tears For Fears. Die Achtziger also, nicht unbedingt die der blauen Jeans mit weißen Seitenstreifen, Nietengürtel und Halsbändern, sondern die, in denen die große Stunde von Pop schlug mit Bands wie ABC, Haircut 100, Heaven 17 oder New Order. Für den 27-jährigen Albrecht, der mit seinen blonden, zurückgegelten Haaren, hellem Hemd und brauner Lederjacke in jedem Jahrzehnt eine gute Figur machen würde, eine logische Entwicklung: „Ich bin mit dieser Musik sozialisiert worden, so mit 12, 13.“ Er nennt es das „Große-Bruder-Ding“, Ultravox, Nik Kershaw, Prefab Sprout versus speckige Gitarren.

Die Musik der Achtziger ist es auch, die ihn und Elke Brauweiler vor fünf, sechs Jahren zusammengebracht hat. „Wir haben uns auf einem Maxwell-Implosion-Konzert kennen gelernt, wo sie auch ein Stück sang. Das fand ich so gut, das ich sie einfach mal dumm von der Seite angequatscht habe. Wir haben uns dann sofort über Musik unterhalten, über eine Van-Halen-Coverversion von Aztec Camera zum Beispiel, über Colourbox, oder über einen wie Terry Hall. Von denen habe ich meterweise Platten im Schrank. Mit wem kann man sich da schon drüber unterhalten?“

Namen, Bandnamen überhaupt: Es fallen eine ganze Menge, wenn man sich mit Albrecht über Musik und Lieblingsmusik unterhält, hurtig verliert man sich in Reminiszenzen an „The Hurting“ von Tears For Fears, an Scritti Politti oder New Order. Allerdings beeilt er sich bei aller Schwärmerei zu sagen, dass „Global Player“ nicht nur vom Geist der Achtzigerjahre beseelt sei, sondern mit all seinen Brüchen, Spielereien und Beats selbstverständlich mitten in der Neuzeit stehe.

Und es sind auch noch andere Personen und Örtlichkeiten, die das Leben von Albrecht, der Anfang der Neunziger von Bremen nach Berlin kam, um Musikwissenschaften zu studieren, mitgeprägt und den „Global Player“ mit auf den Weg gebracht haben. Beispielsweise die Galerie berlintokyo, zu deren Betreibern Albrecht gehörte und auf deren beiden „Spielkreis“-Samplern erste Stücke von Commercial Breakup erschienen.

Eines Abends, erzählt Albrecht, „tauchte ganz unvermittelt die Hamburger Band Looney Tunes in der Galerie auf und wollte spielen. Ein Musiker der Band, Mitarbeiter eines Musikverlags, nahm den Spielkreis-Sampler mit nach Hamburg. Später fragte er am Telefon nach einem Stück, das ihm besonders gefallen hatte, und ich antwortete: ‚Das ist ja von mir‘“.

Alles weitere nahm den branchenüblichen Verlauf. Ein Hamburger Label wurde schnell begeistert, eine Single veröffentlicht, und nun das Album, das die Plattenfirma ihre „bestimmt poppigste Platte“ nennt. Von „Luxus-Pop“ spricht Albrecht, und meint damit „die Zeit, die wir uns lassen können. Wenn ich allein zu Hause am Rechner sitze, kommt irgendwann der Punkt, an dem ich denke, da sollte das eigentlich hin, genau so.“ Das Glück, das Albrecht meint, ist dann das Glück des Konsumenten zu Hause.

Dass er Liveauftritte nur zähneknirschend macht, versteht sich von selbst. „Das Schönste an Konzerten ist, wenn sie zu Ende sind und man sich besaufen kann.“ Die Authentizität eines Konzerts steht Commercial Breakup eher im Weg, ihre Schönheit kommt von innen und funktioniert vor allem über Tonträger.

Als sich schließlich das Café Adler langsam mit Teilnehmern der Demonstration füllt und das Gespräch sich dem Ende zuneigt, fällt Albrecht plötzlich die mit Kreide auf eine Tafel geschriebene Speisekarte des Adlers auf: „Da hat sich aber jemand Mühe beim Schreiben gegeben, das ist ja eine richtig schöne Schrift.“

Commercial Breakup: „Global Player“ (Ladomat/Zomba)

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