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HEW auf der Zielgeraden

Der Berliner Senat will seine einstweilige Verfügung gegen die Bewag-Übernahme zurückziehen. Damit scheint der Weg frei für einen neuen deutschen Stromkonzern: Bewag und HEW werden die besten Chancen zum Kauf der Veag eingeräumt

Der Berliner Senat hat klar die Weichen zu Gunsten eines Zusammenschlusses von HEW, Bewag und Veag gestellt

von NICK REIMER

Wer sich das Unternehmen kaufen will, muss sich beeilen: Heute endet das Bieterverfahren für den Kauf der ostdeutschen Veag, der Vereinigten Elektrizitätswerke AG. Acht Wochen lang hatte der den ostdeutschen Strommarkt beherrschende Konzern allen Interessenten seine Wirtschaftsdaten zugänglich gemacht. Zwölf Konkurrenten machten davon Gebrauch: Neben dem italienischen Stromkonzern Enel, den spanischen Iberdrola und Endresa, der belgischen Tractebel und mehreren Amerikanern (darunter Southern Energy und NRG) wurde auch die Berliner Bewag, die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) und EnBW – Energie Baden-Württemberg – vorstellig.

Derlei starkes Interesse ist verständlich: Der Käufer hat beste Chancen, sich als vierte starke Kraft auf dem deutschen Strommarkt zu etablieren. Allerdings geht niemand davon aus, dass tatsächlich alle Interessenten ein belastungsfähiges Verkaufsgebot abgeben. „Einige wollten sicherlich nur die Gelegenheit nutzen, den Konkurrenten zu durchleuchten“, sagt Veag-Sprecher Albrecht von Truchseß.

Experten mutmaßen, dass ein Bieterkonsortium aus HEW und Bewag die besten Übernahmekarten besitzt. Die viel beschworene und viel gewünschte vierte Kraft auf dem deutschen Strommarkt könne nur etabliert werden, so lautet es aus Branchenkreisen, wenn die Bewag mit der Veag, der Mitteldeutsche Braunkohle AG Mibrag und ihrem Lausitzer Pendant Laubag zusammengeht.

Verkäufer Eon hatte geschickt ein solches Szenario vorangetrieben. Im August verkaufte der aus Veba und Viag fusionierte Energieriese seine 49-prozentige Bewag-Beteiligung an die HEW. Dagegen allerdings wehrten sich sowohl Miteigentümer Southern Energy als auch der Berliner Senat mit einer einstweiligen Verfügung. Die Amerikaner sahen ihre Pläne durchkreuzt, selbst vierte Kraft zu werden, der Senat fürchtete Stellenabbau und darüber hinaus einen Bedeutungsverlust für den Standort Berlin.

Seit gestern ist der Weg aber frei. Der Berliner Senat kündigte an, seine einstweilige Verfügung gegen Eon zurückzunehmen. Heute schon soll die mehrheitliche Übernahme der Bewag durch die HEW besiegelt werden. Die Chefs von Eon, HEW und der HEW-Mutter Vattenfall aus Schweden wollen heute den Verkaufsvertrag mit den Spitzen des Senates unterzeichnen.

„Der Berliner Senat hat damit klar die Weichen für die von uns favorisierte große Lösung gestellt, für einen Zusammenschlusses von HEW, Bewag und Veag“, erklärte Truchseß gegenüber der taz. Konkurrent Southern solle von HEW ein 25-prozentiger Anteil am neuen Unternehmen eingeräumt werden. Zwar geht der Veag-Sprecher nicht davon aus, dass Bewag und HEW noch fristgerecht ein gemeinsames Verkaufsgebot einreichen können. Dass ein gemeinsames Gebot nachgereicht wird, steht für ihn allerdings fest. Am 13. Dezember wollen die alten Anteilseigner Eon und RWE erklären, wer den Zuschlag erhält. Mitsprechen wird auch die Bundesregierung, die den neuen Eigentümer zu einem milliardenschweren Veag-Stabilisierungskonzept und den Absatz von 50 Terawattstunden Braunkohle-Strom verpflichtet.

Wie der neue Veag-Eigentümer auch heißen mag, er hat sich zunächst ein wirtschaftlich angeschlagenes Unternehmen ins Nest geholt. Wegen der hohen Investitionskosten – die Veag modernisierte Netz und Braunkohlkraftwerke für über 16 Milliarden Mark – könnte die Verschuldung mittelfristig auf sieben Milliarden Mark anwachsen. Zwar musste der Konzern mit etwa 6.000 Mitarbeitern 1999 „nur“ einen Betriebsverlust von 155 Millionen Mark verkraften. Wegen hoher Rückstellung für weitere Verluste wies die Bilanz aber einen Fehlbetrag von 1,87 Milliarden Mark aus.

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