: Eine kleine Prise Pro-Kurdismus
Die nationalkonservative „Hürriyet“ macht in Leserbriefen Stimmung gegen die „Persembe“. Und verschätzt sich bei der Auflage der taz
BERLIN taz ■ „Die künstliche Trennung von deutschem und türkischem Alltag aufheben“ und eine Alternative zum bisherigen türkischen Medienangebot in Deutschland schaffen – dies sind die ambitionierten Ziele der türkisch-deutschen Wochenzeitung Persembe, die seit September jeden Donnerstag der taz beiliegt.
Bei Hürriyet ist die Botschaft angekommen: In seiner Europaausgabe veröffentlichte das nationalkonservative Massenblatt Anfang November an prominenter Stelle einen Leserbrief, der Persembe und ihren Geschäftsführer Alper Öktem massiv beschimpft. Hursit Celebi aus Würzburg schreibt darin sinngemäß übersetzt: „Ich verzichte darauf, den Namen dieser Zeitung (...) hier zu nennen, um nicht noch unbezahlte Werbung für sie zu machen.“
„Keine Zeitschrift“
Allerdings wollen wir hier anmerken, dass der Ziehvater und Finanzier der besagten „Beilage“ die Heinrich Böll-Stiftung der Grünen Partei ist und diese Stiftung wiederum von dem deutschen Auswärtigen Amt finanziert wird. Demnach ist diese Beilage, so wie die jetzige Lage ist, ureigenes Eigentum der – ach, wie heißt sie noch mal – Republik Sansibar. Dabei handle „es sich nicht einmal um eine Zeitschrift, sondern um die Beilage für (...) eine deutsche Zeitung, deren Auflage bei 30 herumkrebst“.
Nun liegt die taz-Auflage bekanntermaßen doch etwas höher, aber die Ursache für den Groll auf die liberale Berichterstattung von Persembe ist klar: Die Zeitschrift bringe schließlich „in jeder Ausgabe eine Prise Pro-Kurdismus“ und „eine Prise Schmeichelei an Armenier“.
„Für Hürriyet ist jeder Abweichler von der nationalistischen Linie ein Landesverräter“, sagt Öktem, der sich mehrfach über das Blatt beim deutschen Presserat beschwert hat und deshalb im Leserbrief mehrfach als „Denunziant“ bezeichnet wird. „Die Europa-Ausgabe der Zeitung hält an ihrer festgefahrenen totalitären Ideologie fest.“ Die Gefahr dieses Nationalismus werde nach wie vor unterschätzt, so Öktem: „Mich erschüttert, wie desinteressiert sich hier die deutsche Gesellschaft verhält und vor dem Extremismus unter MigrantInnen die Augen verschließt.“
Zwar ist der Angriff auf Persembe der Form nach ein Leserbrief, doch Brancheninsider vermuten, dass sich hinter dem „Vielschreiber“ Hursit Celebi Hürriyets Auslandschef Ertug Karakullukcu selbst verbirgt.
Persembe, die sich im Gegensatz zu den Leserbriefbehauptungen ausschließlich über Werbeeinnahmen und die Einlagen ihrer Gesellschafter finanziert, dringt gegenüber Hürriyet auf eine Richtigstellung dieser und anderer falscher Angaben. Bisher hat das Blatt nicht reagiert.
STEFFEN GRIMBERG
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