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Premier gesucht

Der Rücktritt von Japans Premier Yoshiro Mori gilt als beschlossen, dem Rebellen Koichi Kato droht jedoch der Ausschluss aus der Regierungspartei

TOKIO taz ■ Die führenden Köpfe in Japans liberaldemokratischer Partei (LDP) suchen fieberhaft nach einem neuen Parteivorsitzenden und gleichzeitigem Premierminister. Ausgelöst wurde dies von einem Rebell in den eigenen Reihen, der zum Todesstoß gegen den angeschlagenen Premier Yoshiro Mori angesetzt hatte und damit Erfolg zu haben droht. Die LDP steht jetzt vor einer Zerreißprobe.

In den vergangenen acht Jahren hatte die LDP keinen noch so faulen Kompromiss gescheut, um Führungskämpfe in den eigenen Reihen zu vermeiden. Zu schmerzlich war die Erinnerung, dass der Aufstand des konservativen Ichiro Ozawa 1993 die Partei spaltete und sie nach fast vierzig Jahren an der Macht in die Opposition verbannte. Zwar dauerte der Exodus nur wenige Monate, doch diese reichten, um in Japan wichtige Reformen einzuleiten.

Jetzt rebelliert mit der Leitfigur Koichi Kato der liberale Flügel. Dabei bedeutet liberal im japanischen Kontext immer noch erzkonservativ. Kato fehlt zudem Ozawas Charisma. Doch Kato schaffte es in dieser Woche, die LDP so weit zu spalten, dass Moris Rücktritt praktisch beschlossene Sache ist. Nur der Zeitpunkt ist noch offen. Beobachter in Tokio rechnen damit, dass es spätestens Anfang Dezember einen neuer Premier geben könnte.

Kato wird es allerdings nicht sein. Denn ein Rebell wird in der japanischen Politik nicht mit der Staatsführung betraut. Das wäre zu gefährlich. Die LDP sucht deshalb einen Kompromisskandidaten aus einer der einflussreichsten Faktionen. Der intelligente, aber farblose Außenminister Yohei Kono und der ehemalige Gesundheitsminister Junichiro Koizumi gelten als Favoriten für die Nachfolge Moris. Beide Politiker sind fast so mächtige LDP-Veteranen wie Kato und garantieren dazu noch Stabilität. Reformen, die Kato derzeit in seiner opportunistischen Weise verspricht, werden warten müssen bis nach den Oberhauswahlen im Juni nächsten Jahres. Doch selbst dann sollte niemand ein reformeifriges Japan erwarten.

Die Schuld liegt nicht allein bei der LDP. So schaut doch die oppositionelle Demokratische Partei dem LDP-Hahnenkampf belustigt zu und versäumt den Hinweis, dass der Rebell Kato eigentlich nur Forderungen aus ihrem eigenen Parteiprogramm aufgestellt hat. Solcher Ideenklau bei der Opposition gehört seit Jahrzehnten zur bewährten Taktik der LDP und schwächte die ehemals mächtigen Sozialdemokraten über Jahrzehnte.

Interessant wird die jüngste Entwicklung erst, wenn Kato tatsächlich mit einer Schar von LDP-Politikern aus der Regierungspartei austritt oder gar rausgetrieben wird. Nimmt er rund 40 bis 50 Abgeordnete mit und schließt sich danach der Opposition an, dann befindet sich Japan zum ersten Mal auf dem Weg zu einem echten Zwei-Parteien-System, das Reformpolitiker schon seit Jahren herbeisehnen. Bleibt Kato indes in der LDP, dann wird sein Aufstand als gut inszeniertes Politkabuki in die LDP-Annalen eingehen und die Opposition steht noch zahnloser da, als sie es ohnehin schon ist.

ANDRÉ KUNZ

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