Geht auch ohne Leitkultur

■ Im Tower spielten wieder mal tolle Indie-Bands: Firewater & Foil

Sänger Tod A muss geahnt haben, dass er im Tower vor wunderbar glitzrigem Deko-Irrsinn aufzutreten die Ehre hat. Passend dazu hat er sich in ein glamoröses goldenes Hemd geworfen. Ansonsten ist „Firewater“ eine Band, die ihr Glück eher im Unpassenden sucht und findet. Längst gibt es jede Menge folkige Bands, die eine Fidel anheuern. Wohingegen sich jazzige Bands lieber ein Stück Blech zulegen. Mit ihrer Kombination von Saxophon und Geige aber dürften Fire-water nach wie vor Seltenheitswert genießen. Und im Unterschied zu manchen anderen Bands können die Musiker diese Instrumente sogar regelgerecht bedienen, eigentlich sogar richtig virtuos.

Bei manchen Stücken sind folkige, jazzige und indierockende Teile wie die ausgekotzten Brocken eines unverdauten Hamburgers übereinander geschichtet – und keines der Elemente übernimmt die Führung und spielt wenigstens einen Song lang Leitkultur. In anderen Stücken fließt alles zusammen bis keine Schweißnaht mehr zu spüren ist. Und beide Formen, Fusion und Nichtfusion, sind gleich schön. Anfangs konnte Tod A durchaus Gefühle der Antipathie auslösen, weil man zu seinem Goldhemd auch noch seinen schmachtenden Blick zu ertragen hatte. Aber im Laufe einer Stunde arbeitet er sich von Kleine-Jungs-Melancholie zu Hardcore-Zornesröte hin – und wieder zurück. Und so beweist „Firewater“, wie es der Name so schön verspricht, dass beim Aufmischen von Feuer und Wasser eben nicht nichts passiert, auch nicht nur schaler Rauch, sondern am Ende hochprozentiger Branntwein im Blut schwimmt.

Die Vorband „Foil“ hat sich für ihre letzte CD-Produktion jede Menge Streicher und Bläser geholt, allerdings im Gegensatz zu Firewater nur mit Schnörkselfunktion. Live aber kommen sie abgespeckt auf das Wesentliche. Selbst die zweite Gitarre wurde zuhause gelassen, und somit beweisen sie, dass alles gut ist: Opulenz und Kargheit. „Never get hip“ heißt die CD, aber eines der Lieder smellt derart nach Nirvanas Teenspirit, dass ein gewisser Erfolgswille nicht zu übersehen ist. Hätten sie aber auch verdient den Erfolg, denn mit ihrem ständigen Wechsel zwischen Brachialität und Versonnenheit, bemühen sie sich redlich darum, den Soundtrack für alle Seiten des Lebens zu schmieden, die schläfrigen, die wachen - und die grausamen. bk