piwik no script img

Nasspisser und Trockenfurzer

■ Die Ruhrpott-Comedygruppe „Herbert Knebels Affentheater“ sagte im ausverkauften Modernes „Scheiße“, so oft es ging. Und es ging oft

Warum es lustig ist, wenn ein knorriger Rentner in kackbrauner Stoffhose und Kassengestell inne Fresse fragt „Und: Wat sacht die Rossie dafür?“, ist so einfach nicht zu erklären. Vermutlich ist das gar nicht zu erklären. Allenfalls ahnt man dunkel, dass die allermeisten der zahlreichen BesucherInnen im Modernes mindestens einen in ihrem Bekanntenkreis kennen, der einem Rentner in kackbraunen Stoffhosen und Kassengestell inne Fresse gleicht, der „Und: Wat sacht die Rossie dafür?“ sagt, wenn er wissen will, welchen Standpunkt die Rosie in dieser Frage wohl einnimmt. Und der nicht versteht, was es da zu lachen gibt.

Weil eben diese Ruhrpöttler-im-Exil-Population ganz offensichtlich die Mehrzahl des Modernes-Publikum stellte, hatte die Comedygruppe Herbert Knebels Affentheater auch im heimatfernen Bremen ein Heimspiel. Das aus Funk & Fernsehen bekannte Duisburg-Essener Quartett bot, wofür es berüchtigt ist: Rockmusik und Ruhrpott live in Gestalt des Rentners Herbert Knebel, seines Kumpels Ernst Pichel, des auf dem Weg zum Homo sapiens vorzeitig ausgeschiedenen Ozzy Ostermann sowie des total behämmerten Trainers.

Treu im Glauben, dass ein Leben nördlich der A 2 kein Leben mehr ist, eröffnet das Knebel-Programm tiefe Einblicke in die Seele eines Ruhris. Unterhemd über alles und Sackkratzen ist normal, inne Siedlung hält man zusammen und am schönsten ist ein Nachmittag unter Freunden bei gegrillter Phosphat-stange und kühlem Köpi. Um diese Erkenntnisse zu verbreiten, durchstößt die Gruppe wiederholt souverän die nach unten eigentlich offene Peinlichkeitsskalabis zum Grund. „Nack nack nackend am Baggerloch“ zur Melodie des Dylan-Klassikers „Knockin' on heaven's door“ wird da zur gemeinsam von Publikum und Band vorgetragenen Hymne. Via völlig debilem „Froschkönig“-Sketch werden Einblicke ins rülpsig-verfurzte Privatleben der Adelsklasse geboten, die das Goldene Blatt immer untern Teppich kehrt. Und gar minutenlang brüllt Pichel im Heavy-Metal-Outfit nicht viel mehr als das Wort „Scheiße“ ins Mikro, um klar zu machen, dass man die Welt in allen ihren Facetten auch mit übersichtlichem Wortschatz vollständig beschreiben kann. Allenfalls in der Misshandlung von Metaphern (“Dat schwächste Glied bringt die Lawine ins Wanken“) und der lyrischen Beschimpfung doofer Mitmenschen (“Ich piss dich nass und furz dich trocken“) ist der Phantasie keine Leitplanke gesetzt.

Ob hässlich, total hässlich oder unfassbar hässlich, bei Knebels darf man eben sein, wie man ist – und eigentlich nie werden wollte. Hauptsach, bis anständig. Zum Schluss dieses denkwürdig wüsten Abends betrat die obligatorische alte Hackfresse Bel Ami die Bühne: Ein schmieriger Butterfahrten-Entertainer, der die Omas nicht unter dreizehn Heizdecken nach Hause lässt und einen französischen „Schannzong“ mitgebracht hatte, in dem er sich rühmte, wie ein Saugnapf auf den Fliesen küssen zu können. Die Knebels hatten also mal wieder nichts ausgelassen: Peinlich, wie das bunte Treiben an einem Samstagnachmittag an einer Trinkhalle in Duisburg-Marxloh eben ist. Wenn Sie wissen, was ich meine. Franco Zotta

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen