: Stoiber: Die Mitte steht rechts!
Und CDU-Chefin Angela Merkel ist doch keine Quotenfrau, weil sie so schön reimen kann: Hochzufrieden bestätigt die CSU auf ihrem Parteitag in München ihr Weltbild
MÜNCHEN taz ■ Deutschland braucht Zuwanderung, weil die Deutschen nicht mehr genug Kinder bekommen. Warum bekommen sie nicht genug Kinder? Weil die rot-grüne Bundesregierung Ehe und Familie der „Beliebigkeit“ preisgibt: „Anders kann man die Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften mit der Ehe nicht sehen“, erklärte Edmund Stoiber den Delegierten des CSU-Parteitags in München.
Die dankten mit spontanem Beifall für diese schlichte Erläuterung komplexer Zusammenhänge und verabschiedeten wenig später einen „Appell für eine menschliche, soziale und moderne Gesellschaft“. Darin wird gefordert, das Nachzugsalter von Kindern ausländischer Eltern „auf sechs, höchstens zehn Jahre“ zu senken und das Asylrecht abzuschaffen.
Auch sonst war es ein sehr menschlicher Parteitag. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, die bisher von der bayerischen Schwesterpartei selten mit Freundlichkeiten verwöhnt worden war, durfte zu den Klängen des Liedes „She’s a Lady“ einmarschieren. Das soll sie zwar dem Vernehmen nach nicht so recht gefreut haben, aber sie sprach dann trotzdem ein sehr kämpferisches, teilweise gereimtes Grußwort, das die Delegierten zu Begeisterungsstürmen hinriss: „Vom roten Faden keine Spur – Schröder fehlt die Leitkultur.“ Mit dieser Rede habe Merkel bewiesen, dass sie keine „Quotenfrau“, sondern ein „ernst zu nehmendes Kaliber“ sei, fand hinterher der ehemalige bayerische Justizminister Alfred Sauter.
Stoiber musste das den Delegierten gar nicht erst beweisen. Geschlagene fünf Minuten feierten sie den auf T-Shirts der CSU liebevoll „Edi“ Genannten nach seiner Grundsatzrede zur Europapolitik mit stehenden Ovationen. „Wir Europäer sind eine Minderheit“, mahnte Stoiber mit Blick auf den Rest der Welt, und deshalb müsse sich Europa „auch auf seinen Kern besinnen“. Ein „schwerer Fehler“ sei es gewesen, die Türkei zum EU-Beitrittskandidaten zu machen. Natürlich brauche Europa „freundschaftliche Beziehungen zu seinen Anrainerstaaten, auch in Nordafrika. Aber deswegen können wir doch nicht alle in die Europäische Union aufnehmen!“ Das fanden die Delegierten auch.
Im Zusammenhang mit der Osterweiterung der EU sprach Stoiber hingegen von „enormen Chancen“. Zugleich forderte er jedoch, „mit den Menschen über die Probleme, die die Osterweiterung mit sich bringt“, offen zu reden, und prangerte die bei den Beitrittsverhandlungen gepflegte „Geheimdiplomatie“ an. Laute „Bravo“-Rufe im Saal. Gerne hörten die Delegierten auch, dass dem Nationalstaat aus Stoibers Sicht weiterhin eine „Schlüsselfunktion“ zukommt. Bei der Frage, was diese Nation zusammenhalte, sei die „Leitkultur“ von überragender Bedeutung: „Wir können Deutschland doch nicht alleine aus den Jahren 1933 – 45 definieren.“ Rauschender Beifall.
Stoiber beschränkte sich nicht alleine auf die Europapolitik, sondern nutzte seine Rede zu einer Generalabrechnung mit der Bundesregierung. Die ersten Monate seien „ein einziges Desaster“ gewesen, und aus Stoibers Sicht hat sich seither wenig verbessert: Die Steuerreform werde durch die Ökosteuer zu einem „reinen Schaufensterstück“. Die Gesundheitsreform sei missglückt, die geplante Rentenreform ein „fauler Kompromiss“, der Rot-Grün „im Wahlkampf um die Ohren“ fliegen werde. Auch wenn er sich nach wie vor nicht als Kanzlerkandidaten sieht, blickt Stoiber dem Jahr 2002 hoffnungsfroh entgegen: Die Mehrheit in Deutschland stehe eher Mitte-rechts als Mitte-links. BETTINA GAUS
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