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Ausstellung eigener Gefühle

Ein gestern vorgestelltes Buch beschreibt die „Jüdischen Museen in Deutschland und Österreich“ und schildert, wie nichtjüdische Deutsche die Geschichte von Juden erzählen

Die perverseste Geschichte ist die des „Zentralen Jüdischen Museums“ in Prag: Es entstand 1942, nachdem die deutsche Wehrmacht die tschechoslowakische Hauptstadt erobert und die große Jüdische Gemeinde der Stadt zerstört hatte. Während die uralte jüdische Gemeinschaft deportiert wurde, gründete die SS das Museum, das die Gegenstände einer, wie sie glaubte, untergegangenen Kultur zeigen sollte. Die deutsche Mördervereinigung setzte sogar Mitarbeiter der ehemaligen tschechischen jüdischen Museen der Vorkriegszeit und der Prager Kultusgemeinde ein, die nun das neue Museum einrichten und verwalten sollten – sie waren eben die Experten. Nur hohe SS-Offiziere durften die schönsten Gegenstände und Besitztümer derer anschauen, die gleichzeitig in den Vernichtungslagern ermordert wurden. Und selbst die jüdischen Mitarbeiter des Museums, Bibliothekare und Archivare, wurden nach und nach deportiert.

Diese Geschichte steht am Anfang einer Studie, die gestern in Berlin vorgestellt wurde, wo zur Zeit das größte jüdische Museum der Bundesrepublik entsteht und die größte Jüdische Gemeinde Deutschlands beheimatet ist. Sabine Offe hat ein Buch über die jüdischen Museen der Bundesrepublik und Österreichs geschrieben und nennt es „Ausstellungen. Einstellungen, Entstellungen“ – der Titel ist Programm. Die Bremer Kulturwissenschaftlerin begibt sich mit ihrem Werk direkt in den Irrgarten der deutsch-jüdischen Beziehungen: Denn die „Heimatmuseen besonderer Art“, wie der Klappentext sie ambivalent nennt, „sind immer auch Holocaust-Museen, die das Eigentum derer, die verfolgt und ermordert wurden, für Besucher ausstellen, deren Eltern oder Großeltern zur Generation der NS-Täter gehörten“.

Es macht die Stärke – manchmal aber auch die Schwäche – dieses Buches aus, dass die Kulturwissenschaftlerin versucht, diese Ambivalenz der Motive und Gefühle der Museumsgestalter und -besucher zu beschreiben: Klare Aussagen sind selten, was auch an der Herangehensweise liegt. Die Autorin legt ihre Thesen zum Komplex „Jüdisches Museum“ häufig anhand ihrer Eindrücke beim Besuch dieser Ausstellungsstätten dar. Dabei schildert sie Gedanken und „Irritationen“. Ihr Zugang sind Gebäude und Gegenstände, was dem Buch zwar angenehme Konkretheit schenkt, andererseits notwendige Verallgemeinerungen und die Bildung deutlicher Thesen erschwert.

Eine immerhin ist erkennbar: Sabine Offe sieht die derzeit etwa 50 jüdischen Museen in Österreich und Deutschland in der Regel nicht als Versuch der Exkulpierung der Nachkommen-Generation von den Taten ihrer Eltern oder Großeltern. Sie seien vielmehr „Orte der Selbstbeschreibung nichtjüdischer Deutscher und Österreicher“: In ihnen berichten sie am Ende mehr über sich selbst als über die Geschichte der Menschen, deren Objekte sie ausstellen.

PHILIPP GESSLER

Sabine Offe: „Ausstellungen, Einstellungen, Entstellungen. Jüdische Museen in Deutschland und Österreich“. Philo-Verlag, Berlin/Wien 2000, 365 Seiten, 64 DM

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