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Erfolgreich angekommen?

Kanak Attak-Diskussion zu Migration und ökonomischem Erfolg im Kölibri  ■ Von Alexander Diehl

Spätestens im Zuge der Debatten um Green Card und importiertes Techno-Know-How mag sie wieder auf den Plan gerufen worden sein, der abendländisch tümelnde Tumult jetzt folgender Schlagabtäusche rund um das L-Unwort droht sie – kurzfristig – zu überschatten: die offen zur Sprache gebrachte Kategorie unterschiedlicher ökonomischer Nützlichkeit und ihre Anwendung auf MigrantInnen hierzulande. Die entsprechenden Instanzen von Wirtschaftsdemographie und Arbeitsmarktprognostik weisen immer nachdrücklicher darauf hin, dass die Bundesrepublik aus bloßem Interesse am Erhalt der eigenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auf „Zuwanderung“ angewiesen sei. Im Zuge solcher neuen (alten) Erkenntnis würde nicht mehr (ausschließlich) Objekt von Futterneid, wer ohne die entsprechenden Abstammung beziehungsweise Papiere an den bundesdeutschen Fleischtöpfen gesichtet wird, hat er/sie doch deren Fortbestand zunehmend mit zu garantieren. Das betrifft freilich nicht länger nur das Klischee der migrantischen ArbeitnehmerIn auf unattraktivstem Jobniveau, sondern zunehmend auch qualifiziertere Bereiche und womöglich gar die nicht volksdeutsche ArbeitgeberIn. Geht aber mit dem Erreichen solcher Positionen im hiesigen ökonomischen Gefüge tatsächlich eine erhöhte Akzeptanz einher, wird Rassismus über den Umweg vom Tellerwäscher-McJob zum Erfolgsmodell Vorzeigeausländer und freshen Managerkanaken als Bruttoinlandsprodukt-Pusher überwunden, nimmt also die Andersheit der Wahrnehmung von MigrantInnen mit deren Kontostand ab? Und wie beeinflusst – zwischen Vorbildfunktion und Verratsvorwurf – solches Arrivieren den eigenen (Community-) Hintergrund?

Um solche Fragen soll es heute Abend bei einer Diskussionsveranstaltung unter der Überschrift „Ab 1.000.000 bist Du kein Kanake mehr“ gehen. Vier Gäste, deren Biographien bei allen Unterschieden Momente von Migration gemeinsam sind, vier „in Hamburg lebenden MigrantInnen, die es ,geschafft' haben“, sollen Facetten dieser Problematik exemplifizieren: Da wird die Gastronomin Kit Pingu sitzen, die Tochter der Betreiber des chinesischen Restaurants Goldener Stern, der bis vor ein paar Jahren am Pferdemarkt war, die dem unterstellt naheliegenden ethnisch sortierten Bezugssystem offensiv den Rücken zu kehren sucht, indem sie statt chinesischer hohe Euro-Küche anbietet; der türkischstämmige Volkswirt Kazim Abaci, der vor knapp zwei Jahren beschloss, den eigenen Leuten in Almanya zu helfen, indem er sie – in dem Verein Unternehmer ohne Grenzen – bei Existenzgründungen berät, weil er den wirtschaftlichen Erfolg von MigrantInnen als wesentlichen Schlüssel zu Akzeptanz und Integration ansieht; die in Deutschland geborene Herausgeberin der zunächst turko-migrantischen, lifestyle-orientierten Zeitschrift Hayat, Tanya Zeran; schließlich Mustafa Massoud, Migrant aus Ägypten, der angesichts der einschlägigen Unterbringungs- und Lebensverhältnisse im Hamburg der 80er Jahre beschloss, es zu was zu bringen – und heute Inhaber eines Schuhgeschäfts in Eppendorf ist.

Veranstaltet wird „Ab 1.000.000 bist Du kein Kanake mehr“ von Kanak Attak in Kooperation mit Umdenken e.V.. und ist so das dritte vor Ort organisierte Event für die Hamburger Dependance von Kanak Attak, einer bundesweit agierenden Gruppe, die sich der Sichtbarmachung von MigrantInnenalltag und -kultur und eine (Wieder-)Thematisierung von Rassismus abseits von Multikulturalismus- oder Identitätspolitik verschrieben hat. Dem beanspruchten „Mix aus Theorie, Politik und künstlerischer Praxis“ (aus dem Kanak Attak-Manifest, 1998) gemäß veranstaltete man in den vergangenen eineinhalb Jahren Filmvorführungen und Lesungen, „Musikoffensiven“ und Diskussionen – und arbeitete bundesweit genauso lange an ambitionierten Projekten wie einem Kanak Attak-Song und der demnächst in Berlin anstehenden KanakHistoryRevue zur Geschichte der Migration in der/die BRD.

heute, 19.30 Uhr, Kölibri, Hein-Köllisch-Platz

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