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Klingt wie Wählen in Florida

Wenn Beck eine dumme Platte nach der anderen herausbringt, dann dürfen wir das auch: Sagen die Musikerinnen von Le Tigre und setzen im Maria am Ostbahnhof weiter auf das Model Frauenband

von THOMAS WINKLER

Letztens Pac Man aus dem Netz geladen. Geht schnell, läuft auf jedem Rechner und macht noch genauso viel Spaß wie damals vor 15 Jahren, als keine Spielhalle ohne das punktefressende gelbe Monster auskam. Und es macht sonderbare Geräusche. Geräusche, die man lange, lange nicht mehr gehört hat.

Le Tigre machen, wenn auch aus komplett anderen Gründen, ähnliche Geräusche, alte Geräusche. Die Musikerin Kathleen Hannah, die Filmemacherin Sadie Benning und die Fanzine-Schreiberin Johanna Fateman hatten zuvor die Welt auf jeweils andere Art interpretiert. Zusammen, als feministisches Punkrock-Trio aus New York mit Dilettanten-Anspruch und Uralt-Elektronik ging man daran, sie zu verändern. Bikini Kill, Hannahs alte Band, nannte ihre letzte Platte, bevor man sich auflöste, „Reject all Americana“. Mit Le Tigre wurde dieser Vorsatz – die Zurückweisung aller amerikanischen Folklore, sei sie in Blues, Country oder eben Rock begründet – endgültig in die Tat umgesetzt. Selten klangen Gitarren weniger romantisch und Loops weniger tanzbar. Rockbandinstrumentarium und eher archaische Formen von Elektronik gehen hier eine Verbindung ein, die nahezu allen Grundsätzen von Jungsmusik entgegenläuft.

Auch wenn Le Tigre auf ihrer Website davon sprechen, wie sehr sie sich gequält haben mit dem neuen Equipment, ist es doch vor allem ein Statement. Dass man nicht verrückt sein muss wie Daniel Johnston, um etwas herausbringen zu dürfen, das sich nicht perfekt anhört. Dass man sich nicht einsperren muss im Kämmerlein, um das Recht zu erwerben, Musik zu machen. Dass man kein Junge sein muss. Oder, wie Kathleen Hannah es ausdrückt: „Wenn Beck eine dumme Platte nach der anderen herausbringt, dann darf ich das auch.“

Gut, das ist alt, das ist Punk. Aber wer glaubt, das sei unzeitgemäß und das Modell Frauenband überholt, muss nur mal MTV und Viva einschalten und gucken, was Frauen da machen dürfen: Nicht viel, außer ihre Ärsche vor Fischaugenkameras wackeln zu lassen. Gegen diesen Rollback trat die „feministische Popband“ (Hannah) an vor genau einem Jahr. Als Statement, als Beispiel für die Frauen, die sich nicht trauen. Le Tigre, so wird immer wieder verkündet, warten nur darauf, dass andere Frauenbands ihnen zeigen, was für Nieten sie sind.

Als ihr Debütalbum erschien, gab es ein Rauschen im Blätterwald, wenn auch ein eher kleines. Es gab zwei, drei wirklich gute Songs und viele komische Geräusche, die so gar nicht in die Zeit passen wollten. Manchen hat die Platte auch nur an die B-52’s erinnert. Was ja auch schon mal kein schlechter Soundtrack zur Revolution gewesen wäre. Aber: Seitdem hat man nicht mehr viel von ihnen gehört. Und auch die Welt ist noch grundsätzlich dieselbe.

Jetzt auf Tour zu kommen, ohne ein neues zu bewerbendes Produkt, widerspricht allen Marktgesetzen. Das kann Konzept sein. Oder Dilettantismus. Oder Zufall. Aber es unterwirft sich nicht den alles beherrschenden Mechanismen. Und das ist gut so. Es knirscht, es macht komische Geräusche. Aber nicht, weil Gitarren falsch gestimmt sind, sondern weil etwas aus den Fugen gerät. Ein Le-Tigre-Song klingt wie Wahl in Florida.

Heute ab 21 Uhr, Maria, Straße der Pariser Kommune 8–11. Im Vorprogramm tritt Peaches auf!

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