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Hin und weg

Ob Monarchie oder Monopolkapitalismus, ob Hamlet oder Kurt Cobain, es nimmt sich alles nicht viel: Michael Almereyda hat seine „Hamlet“-Verfilmung in der Welt multinationaler Konzerne angesiedelt

Michael Almereyda („Nadja“) hat „Hamlet“ verfilmt. Musste er das? War das nötig? Gab doch schon ungefähr 40 Hamlet-Verfilmungen. Die letzte war, glaube ich, von Aki Kaurismäki („Hamlet goes business“) und auch nicht so ganz super, aber eigentlich okay. Egal. Wer Hamlet verfilmt, müsste irgendeine neue Idee haben, denkt man sich, einen überraschenden Dreh gefunden haben, das Drama im Heute interessant zu machen.

Irgendeine Idee hatte auch Almereyda. In seinem Film, der meist in Bürohäusern spielt, ist es nicht der Staat Dänemark, in dem etwas faul ist, sondern die „Denmark-Corporation“, ein multinationales Unternehmen, das sich mit anderen um die Weltmärkte streitet, ohne dass man je erfährt, was es herstellt.

Das leuchtet zunächst ein – während die Macht der Nationalstaaten rasant zurückgegangen ist in den letzten 30 Jahren, werden die Unternehmen immer mächtiger – aber einleuchtend ist es letztlich auch nur auf einer ziemlichen Irgendwie-Ebene und außerdem Etiketten- und Kostümschwindel.

Nicht der König wird also von seinem Bruder Claudius (Kyle Maclachlan) gemordet, sondern den Präsidenten und Vorstandsvorsitzenden der „Denmark Corporation“ ereilt sein Schicksal. Polonius ist der „Controller“ des Unternehmens, und Hamlet (Ethan Hawke), ein Filmstudent, rennt übernächtigt gern mit seiner Kamera durch die Gegend. Später entlarvt er die Machenschaften seines Onkels nicht mit einer Theaterinszenierung, sondern mit einem Film. (Der kleine Film im Film mit schönen Slapstickpassagen ist eigentlich das Beste in „Hamlet“).

Die Gegenwart oder nahe Zukunft, die „Denmark-Corporation“, Vorstandssitzungen, die teuren Limousinen, in denen die Helden durch die Gegend gegurkt werden, die Diskothek, in der sich Hamlet mit seinen Kumpels und Kommilitonen Rosenkranz und Güldenstern trifft; dies alles sind nur Zitate, die suggerieren möchten: ob Monarchie, ob Monopolkapital – alles gleich. Oder: Diesen Suggestionswillen möchte man dem Regisseur zwar nicht unterstellen; in dem Film sind aber trotzdem Vorstandsvorsitzender und König austauschbar und bloße Etiketten, die man den Protagonisten anheftet.

Mit moderner Unternehmenskultur hat das alles nix zu tun, mit Gegenwart auch nicht, mag auch irgendwann ein – mittlerweile in vielen Filmen obligatorischer buddhistischer Mönch im Fensehen auftauchen und den Vorschlag machen, „to be“ durch „to interbe“ zu ersetzen, denn kein Mensch lebe nur für sich allein, mag auch irgendwann mal der Unternehmensgeist (Sam Shepard) als leibgewordene Metapher auf dem Balkon stehen und rauchen.

Geschenkt. Ophelia ist sexy und Hamlet insgesamt ein bisschen blaustichig, was daran erinnert, dass man in westliche Weißwaschmittel ein bisschen Blauton reintut, während man im asiatischen Raum eher Goldtöne bevorzugt. Einerseits stört der Film nicht weiter, mögen die schönen, klugen Shakespeare-Zitate auch immer ein wenig deplatziert und affektiert wirken, andererseits hofft man doch auf mehr, als sich nur mal anderthalb Stunden nicht zu langweilen, wenn man ins Kino geht. Nicht langweilen kann man sich auch woanders! Manchmal denkt man auch, dass es vielleicht tatsächlich ganz schön wäre, wenn Nachrichtensprecher in Versen redeten.

Gesungen, wie in dem schönen Romeo-und-Julia-Film, wird übrigens nicht, auch wenn Almereydas Hamlet Ethan Hawke erklären ließ: „Hamlet ist wie Kurt Cobain: Er hat Probleme mit seinen Eltern, eine Identitätskrise und eine schwierige Freundin. So geht's doch allen Jungs, oder?“ – Und darum geht’s doch auch in Hamlet, oder? – Nö. Eigentlich nicht. DETLEF KUHLBRODT

„Hamlet“: Regie: Michael Almereyda: Darsteller: Ethan Hawke, Kyle Maclachlan, Sam Shepard, Julia Stiles u. a. USA 2000, 111 Minuten

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