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Begrabt mein Herz im Benz

... oder in der Bierflasche. Eine Ausstellung im Ohlsdorfer Friedhofsmuseum zeigt ungewöhnliche Särge aus Ghana  ■ Von Nicole Vrenegor

Deutsche Särge haben einfach keinen Stil. Sie heißen Diplomatentruhe Nr. 205, Halbtruhe mit Doppeltem Deckblatt oder Wulstsarg mit umlaufenden Schnitzbändern. Von altdeutsch bis rustikal sind Särge hierzulande vor allem eins: solide – und das bis zum Abwinken. Todlangweilig sozusagen.

Dass das nicht so sein muss, zeigen Särge aus Ghana, die zur Zeit im Museum Friedhof Ohlsdorf zu sehen sind. Die buntlackierten, figürlichen Särge des afrikanischen Künstlers Kane Kwei sollen einen Teil des Lebens des Verstorbenen widerspiegeln. So lassen sich Plantagenbesitzer in einer Zwiebel bestatten, der erfolgreiche Geschäftsmann bevorzugt den Mercedes-Benz oder die italienischen Designerschuhe.

Ein Renner sei auch das Modell Bierflasche. „Die Bierflasche wird mittlerweile blind gefertigt, so rege ist die Nachfrage“, erzählt die Organisatorin der Ausstellung, Sabine Blum. Doch die orginellen Särge haben ihren stolzen Preis. Die Bierflasche zum Beispiel kostet umgerechnet 1000 Mark, das ist mehr als das durchschnittliche Jahresgehalt eines Ghanaers.

Eine Beerdigung in Ghana ist traditionell ein spektakuläres Ereignis, das sich über mehrere Tage oder gar Wochen hinzieht. Häufig sind mehrere hundert Gäste geladen, die mit eindrucksvollen Leichenzügen und ausschweifenden Festen die Toten verabschieden. Vor allem der Sarg gilt als Prestigeobjekt. „Die Familie stellt ihren Wohlstand dar, meist auf Kredit, und verschuldet sich in der Regel auf Jahre“, erklärt der Hamburger Ethnologe und Afrikanist Wulf Lohse.

Das Volk der Ga, dem auch der Sargbauer Kane Kwei angehört, geht davon aus, dass die Toten durch ein stattliches Begräbnis auch im Jenseits einen besseren Status erhielten. Den ersten figürlichen Sarg schuf Kwei für seine Großmutter. Da sie sich ihr Leben lang gewünscht hatte, zu fliegen, baute er ihr einen Sarg in Flugzeugform. Auch spätere Modelle hatten immer einen direkten Bezug zum Verstorbenen.

Die Särge, die in Hamburg ausgestellt werden, gehören zur Sammlung des Wiener Gynäkologen Bernd Kleine-Gunk. Er arbeitete als junger Arzt im Entwicklungsdienst in Ghana und entdeckte dort die Kwei-Werke. Durch ihn wurden die Kunst in Europa bekannt. Der begeisterte Kunstsammler Kleine-Gunk hat sich schon einen eigenen Sarg anfertigen lassen: in Form einer Gebärmutter.

Die Ausstellung auf dem Ohlsdorfer Friedhof läuft noch bis zum 31. Januar 2001. Sabine Blum hofft, dass dadurch Menschen angeregt werden, auch mal über ihr eigenes Leben und Sterben nachzudenken. Und vielleicht pfeifen einige BesucherInnen nach gehabtem Kunstgenuss ja auch auf Eiche rus-tikal und nehmen lieber Mercedes total. Auskünfte über Bestelladresse und Begräbnis-Modalitäten gibts im Museum. Doch Vorsicht: Billig, warnt Blum, ist ein maßgefertigter Kwei-Sarg nicht.

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