: Eine normale Sache
Wie immer gewinnt Borussia Dortmund 2:1 gegen Wolfsburg, wie immer trieft der Angstschweiß
DORTMUND taz ■ Das Schöne am Fußball ist, dass man immer weiß, wie’s ausgeht. Zumindest wenn Borussia Dortmund daheim gegen den VfL Wolfsburg antritt. Dann kennt man nicht nur schon vorher Sieger und Verlierer, sondern sogar das genaue Ergebnis. Mit 2:1 schlägt der BVB den Gast, nun schon zum vierten Mal in Folge, und da beißen weder Maus noch Wolf einen Faden ab – egal, was man auch versucht.
So traten die Wolfsburger in einem königsblauen Ensemble an, das die Dortmunder wohl an das 0:4 gegen Schalke vor zwei Monaten erinnern sollte. Dieser Modekniff half aber ebenso wenig wie die Anwesenheit von Schiedsrichter Markus Merk, gegen den die Borussia zuvor in vier Spielen ohne Punkt und Tor geblieben war, während Wolfsburg die letzten vier Partien unter seiner Leitung nicht verloren hatte. Dementsprechend begann Gäste-Trainer Wolfgang Wolf seine Analyse des Spiels später mit den Worten „Es war wie immer“ und schien sie dann noch im selben Atemzug mit einem kargen „Danke schön“ zu beenden. Das war nur Galgenhumor. Wolf schob dann doch noch einige Ausführungen hinterher, aber kaum ein Anwesender hätte es ihm verübelt, wenn er das nicht getan hätte.
Spiele im Westfalenstadion sind in der Tat keine angenehme Angelegenheit, wenn man aus der VW-Stadt kommt. Man läuft und läuft, und am Ende verliert man, ohne zu wissen, warum. Es mag solche und solche 2:1 geben, doch für den VfL sind die 2:1 in Dortmund immer gleich: Umkämpfte, herzerfrischend durchschnittliche Bundesliga-Kicks, bei denen die Torfolge variiert, aber die Schlussphase immer so aussieht, dass die Schwarz-Gelben solange die Bälle ins Aus schlagen, bis sie endlich die nach Angstschweiß riechenden Trikos tauschen können.
Diesmal beherrschte die Borussia vor der Pause Ball, Gegner und sogar Markus Merk und hatte nach einer halben Stunde durch Giuseppe Reina (26.) und Evanilson (29.) zur allgemeinen Überraschung gleich zwei ihrer sechs guten Chancen verwertet, was für dieses peinlich abschlussschwache Team eine formidable Quote war. Dann aber bahnte sich mit dem Anschlusstreffer von Akpoborie (31.) an, dass auch dieses Spiel zur Normalität zurückkehren würde.
Gerade so, als ob sich die Dortmunder beim Pausentee resignierend gegenseitig versichert hätten, dass ihnen das Schicksal nun einmal kein drittes oder viertes Tor gegen Wolfsburg gönnen würde, war es nach dem Wechsel der Gast, der versuchte, dem Klammergriff der Vorsehung zu entfliehen. Der BVB geriet dermaßen ins Schwimmen, dass schon nach 70 Minuten auf der Anzeigentafel die Restspielzeit eingeblendet wurde (präsentiert von einer Schweizer Uhrenfirma, aber selbst die konnte die Sekunden nicht schneller verrinnen lassen).
Doch alles Anrennen nutzte nichts. „Die Dortmunder haben ja mit Mann und Maus hinten drin gestanden“, erläuterte Wolf den drei mitgereisten Lokaljournalisten, warum sein Team trotz aller Überlegenheit nicht mehr Möglichkeiten bekam. Und auf die Frage nach der Ursache der Niederlage, grummelte er: „Man kann es sich auch einfach machen und sagen, es hat an der Kondition gefehlt. Wir haben nämlich auch viele Spieler, die nicht völlig fit sind.“
Das war ein Seitenhieb auf seinen Kollegen Matthias Sammer. „Es ist schwer, wenn ständig drei oder vier Mann ausfallen und drei andere neu reinkommen“, hatte der nämlich vorher ausgeführt und den Einbruch seines Teams mit der Menge an angeschlagenen oder rekonvaleszenten Spielern erklärt: „Fußball funktioniert nur mit viel Training und mit Fitness. Deshalb war das, was sich in der zweiten Halbzeit abgespielt hat, eine ganz normale Sache.“
Letzteres kann man so stehen lassen. Denn während Reina noch grübelte, warum der BVB „nach dem Gegentor wieder in Panik geraten ist“, und Wolfgang Wolf beklagte, dass seiner Elf „das Glück im Moment nicht nachläuft“, hatte das Publikum das Spiel schon achselzuckend abgehakt – als eine „ganz normale Sache“ in der Dortmunder und Wolfsburger Neuinszenierung von „Und täglich grüßt das Murmeltier“.
ULRICH HESSE-LICHTENBERGER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen