Dollars für El Salvadors Neureiche

Trotz geringer Inflationsrate und eines stabilen Colón kündigt El Salvadors Präsident Francisco Floresdie Einführung der US-Währung an – und tut damit dem Handels- und Finanzkapital einen großen Gefallen

SAN SALVADOR taz ■ Die Avenida Juan Pablo II:, benannt nach dem noch immer amtierenden Papst in Rom, durchzieht San Salvador von Ost nach West. In der Nähe des Zentrums war die Straße nie sehr heilig: Dort ist der Dollarschwarzmarkt der Hauptstadt. Wo viel Geld zirkuliert, gibt es auch viele Verbrechen. Doch zum Jahreswechsel wird es nach dem Willen des erzkatholischen Präsidenten Francisco Flores weihevoller zugehen an diesem Ort. Vergangene Woche kündigte er an, dann den US-Dollar als offizielle Währung El Salvadors einzuführen. Keine Geschäfte mehr für Schwarzhändler.

Die Entscheidung war genauso wenig vorbereitet wie erwartet. Er wolle „das Steuer herumreißen“, sagte Flores in einer zur besten Seifenopernzeit auf allen Fernsehkanälen übertragenen Rede. Zwei Jahre Stagnation in der Wirtschaft seien genug. Der Dollar als Währung sei das richtige Mittel, um wieder Schwung ins Land zu bringen.

Zunächst soll der nationale Colón zwar weiter zirkulieren, jedoch mit einem fixen Wechselkurs von 8,75 pro Dollar. Banken dürfen beim Tausch keine Kommissionen mehr kassieren und müssen alle Geschäfte in Dollar abwickeln, genauso wie Rentenfonds und Versicherungen. Der Colón wird also nicht mehr sein als eine Nostalgiewährung, mit der aus Rücksicht auf nationale Empfindlichkeiten noch ein bisschen gespielt werden darf.

Um solche Empfindlichkeiten erst gar nicht zu wecken, kam das Wort „Dollarisierung“ in der Rede auch nicht vor. Der Präsident sprach vornehm von „monetärer Integration“ und versprach den einfachen Leuten Unglaubliches. Mit dem Geld würden auch die Zinsen aus den USA importiert, und das bedeute: Eine Familie, die bislang ihr 30-qm-Häuschen in Monatsraten zu 1.000 Colones abgestottert habe, müsse dann nur noch die Hälfte bezahlen. Ein durchschnittlicher Haushalt werde zwei Monatseinkommen im Jahr einsparen. Die Sparquote werde steigen, es werde mehr investiert, die Wirtschaft wieder florieren.

Dass das völliger Unsinn ist, zeigen Dollarisierungserfahrungen aus Argentinien und Ecuador: Die Zinssätze werden zwar in den USA gemacht, dann aber in den instabilen Ländern Lateinamerikas mit einem ordentlichen Risikozuschlag versehen. Am Ende werden sie in El Salvador in etwa so bleiben, wie sie sind. Ohnehin waren Zinssenkungen nie das Ziel von Dollarisierungen. Eher das Gegenteil. Argentinien und Ecuador wollten mit der Bindung an den Dollar oder mit dessen Einführung als Währung, gekoppelt mit einer Hochzinspolitik, rasende Inflationen bremsen. Was auch gelungen ist.

In El Salvador aber liegt die Inflation bei unter 2 Prozent. Die Währung gilt als um mindestens 30 Prozent überbewertet und ist im Verhältnis zum Dollar seit mehr als sechs Jahren stabil. Devisenreserven waren nie ein Problem. Rund zwei Millionen Auslandssalvadorianer, die meisten davon in den USA, schicken pro Jahr fast so viele Dollars nach Hause, wie das Land mit Exporten erlöst. Warum also gibt Flores mit der Geldpolitik ohne Not ein Stück nationaler Souveränität auf? In der rechtsextremen Regierungspartei Arena herrscht seit Jahren ein harter Flügelkampf. Auf der einen Seite steht die traditionelle Oligarchie der Landbesitzer. Auf der anderen stehen die Neureichen aus Handels- und Finanzkapital, die in der Heimat die Überweisungen der Auslandssalvadorianer abschöpfen. Diese Neureichen werden noch reicher, wenn das Geld gleich in Dollars in die Kassen kommt und nicht erst verlustbringend umgetauscht werden muss, um neue Waren zu importieren. Die Banken werden Teile des Risikozuschlags für sich einstreichen. Die Landoligarchie dagegen verliert. Ihre Exportprodukte werden im Vergleich zu den Nachbarländern mit schwachen Währungen immer teurer und damit weniger konkurrenzfähig. Der Volkswirtschaftler Arturo Zablah, selbst Mitglied von Arena, bringt es auf den Punkt: „Flores gehorcht dem Handels- und Finanzkapital zu Lasten des produktiven Sektors, egal, ob es sich um Industrie, Landwirtschaft, Tourismus oder Bauwirtschaft handelt.“ Was Zablah dabei besonders ärgert, ist das Geschwätz von der monetären Integration. „Er hat noch nicht einmal den Mut, zu sagen, was er tut.“ TONI KEPPELER