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Sind 20 Jahre Jazzrock genug?

■ Barbara Thompson spielte auf ihrer Abschiedstournee im Moments und kündigte ihrem Stammpublikum ein Comeback an

Es gibt noch Treue: Wenn Sie zu einem Konzert Barbara Thompsons in Deutschland gehen, werden Sie sehen, dass es noch Menschen gibt, die viele Jahre lang das Gleiche hören und schätzen. Seit zwanzig Jahren spielt die britische Saxophonistin mit ihrer Band Paraphernalia grundsoliden Jazzrock, immer mit Jon Hiseman am Schlagzeug, der wohl als Einziger heute noch so virtuos rasend knüppelt wie einst die Heroen Cobham und Mouzon.

Bei dieser Musik gibt es keine Überraschungen, keine Stilentwicklungen oder Moden: Wo Barbara Thompson draufsteht, war auch immer die gleiche Barbara Thompson drin, und in Bremen kann sie heute immerhin noch das Moments gut füllen. Irgendwie ist es tröstlich, dass es solche Konstanten im Musikgeschäft gibt, da nimmt man auch gerne ein wenig Langeweile beim Konzert in Kauf.

Natürlich klingt das oft ein wenig antiquiert, natürlich sind die Arrangements extrem konventionell und die Soli fast immer zu lang. Aber genau so kennen und wollen es ja die ZuhörerInnen (übrigens inzwischen anders als in „frauenbewegten“ Tagen nicht mehr überwiegend weiblich). Da kommen zwar so gut wie keine neuen Fans mehr dazu, aber die alten wirkten wie eine verschworene Gemeinde.

Hardcore-Jazzrock kann man schon an den verblasenen Titeln erkennen: Mit „Peaceful Guardians of the Deep“ begann das Konzert entsprechend laut, schnell und elektrisch. Aber schon beim zweiten Stück wurden die Gänge etwas heruntergeschaltet, denn Barbara Thompsons neue CD besteht aus „Tangos and other soft dances“, und diese bildeten einen Großteil des Programms.

Gleich vier Tangos spielte die Band nacheinander weg: mal triefend, mal schräg, mal klassisch, mal ironisch. Und dabei klang die Band dann auch am inspiriertesten: Der junge Violinist Billy Thompson war wohl in erster Linie darum in der Band, weil er sein Instrument bei den Tangos so schön schluchzen lassen konnte, und Keyboarder Peter Lemer gelangen ein paar sehr schön platzierte Zitate von J.S. Bach in einem seiner Soli.

Barbara Thompson blies so fehlerlos, energiegeladen und vielseitig wie immer. Neben dem Tango wurde in der zweiten Hälfte auch noch die Musik aus dem Balkan und Irland fusioniert. Beim Ende des Konzerts wollte das Publikum sie gar nicht mehr von der Bühne lassen.

Immerhin sollte dies ja ihre Abschiedstournee sein, aber die Erfahrung lehrt ja, was von solchen Ankündigungen von MusikerInnen zu halten ist. Prompt gab Barbara Thompson bekannt, „in a few years time“ werde sie wohl doch wiederkommen. Und dann sind die treuen Fans bestimmt alle wieder da.

Wilfried Hippen

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