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Türkei mobbt Roth

Für „Nonsens“ hält die Türkei, was die Delegation des Bundestags-Menschenrechtsausschusses anmahnt

BERLIN taz ■ Die ostdeutsche CDU-Abgeordnete Monika Brudlewsky fühlte sich in die DDR zurückversetzt. Wo immer sie und ihre vier Kollegen aus dem Menschenrechtsausschuss des Bundestages in der Türkei auftraten, sie wurden auf „Schritt und Tritt“ verfolgt, jedes Gespräch mit Videokamera aufgezeichnet. Auch sonst war die Delegation während ihrer einwöchigen Visite nicht wohlgelitten. Zeitungen hätten den Rauswurf der Delegation verlangt, so die bündnisgrüne Ausschussvorsitzende Claudia Roth gestern in Berlin.

Von offizieller türkischer Seite wurden vor allem die Äußerungen Roths in Diyarbakir schroff zurückgewiesen. Roth hatte nach ihrem Treffen mit dem Bürgermeister von Diyarbakir, der der prokurdischen Partei Hadep angehört, gesagt, sie betrachte ihn „als einen Botschafter seines Volkes“. Außerdem griff sie eine in der Türkei heftig umstrittene Äußerung des für EU-Fragen zuständigen Ministers Yilmaz auf, der vor Monaten gesagt hatte, „der Weg der Türkei nach Europa führt über Diyarbakir“. Im türkischen Staatsfernsehen sagte daraufhin Außenminister Cem, die Bemerkungen Roths seien „Nonsens und stören die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei“.

Die jetzigen Reaktionen stehen in Zusammenhang mit den angespannten Beziehungen der Türkei zur EU. Die türkische Regierung wirft der EU-Kommission vor, in dem Dokument zur Beitrittspartnerschaft Bedingungen zu stellen, von denen zuvor nicht die Rede war.

Die Lage der Menschenrechte in der Türkei wird von der Delegation weiterhin als unbefriedigend eingeschätzt. Folter nach Festnahmen sei nach wie vor an der Tagesordnung. Auch ein Moratorium bei der Todesstrafe reicht laut Roth nicht aus, um die Chancen für einen EU-Beitritt zu verbessern. Sie müsse abgeschafft werden. Zudem müsse der Ausnahmezustand in den Kurdenregionen „kurzfristig“ aufgehoben werden.

Trotz der innenpolitischen Aufregung in der Türkei wollen die Menschenrechtler beider Länder ihre Kooperation künftig verstärken. Geplant ist eine gemeinsame Sitzung der Menschenrechtsausschüsse des Bundestages und der türkischen Nationalversammlung in Berlin.

J. GOTTSCHLICH/ S. WEILAND

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