piwik no script img

Gesucht: Die magischen drei Worte

Tim Staffels „Werther in New York“ hätte eine schöne Space-Cowboy-Odyssee im Stuekke Theater geben können

Tim Staffel schreibt über „Werther in New York“ – da erwartet man eine packende Gangsterromanze. Genug Material für amoralische Ausbrüche hat der Autor potenziellen Regisseuren auch hinterlassen, sogar einige Trash-Momente mit Anspielungen auf „Raumschiff Enterprise“. Die Geschichte selbst dreht sich dabei um die üblichen Probleme: Liebe, Geld, der Sinn des Lebens. Sie beschäftigen fünf Figuren, von denen drei ebenfalls bekannt sind: der verliebte Jüngling, die angebetete Lotte und Nebenbuhler Albert. Mit dem nach Eigenaussage „lesbischen Fickbündnis“ Zoe (Astrid Färber) & Picard (Lisa Adler) erweitert Staffel dann Goethes Party. Wo die stattfindet, ist jedoch nicht so klar; New York taucht nur im Titel und in der Schlussszene auf, wenn das Quintett erwägt, zum Big Apple zu ziehen.

Es hätte ein schönes Space-Cowboy-Stück mit Verweisen auf den literarischen Kanon geben können. Spaß für die Massen und Leckerlis für Germanisten. Gibt es aber leider nicht im Stuekke-Theater. Dabei beginnt Uwe Rohbecks Inszenierung ganz interessant: Die Bühne zieht sich als schmales Band durch die zu beiden Seiten hochgestapelten Zuschauerpodeste hindurch. Zwei Stockwerke ist Nikolaus Porz’ Bühnenbild hoch und bezieht sogar die Decke mit all den Verstrebungen, Kabeln und Scheinwerfern ein. Technisch, metallisch die Atmosphäre, wie im Bauch eines Schiffes. Im Breitwandformat bietet sich eine silhouettenhafte Spielweise an – als Gag nutzt sie sich jedoch bald ab. Ewig will man Werther im Profil und Lotte im Profil nicht aufeinander zugehen sehen.

Lotte ist bei Rohbeck ganz auf Amazone getrimmt. Pfeil und Bogen tragend, zuweilen auch schießend, schreitet sie auf dem Oberdeck einher. Aber nach einigen überraschenden Minuten plagt sich Antje Lindemann als begehrtes, aber nicht entflammtes Objekt mit dem großen Flitzebogen nur noch herum. Er verklemmt sich in den Treppenstufen und dominiert die Szenerie, als es um Liebe schon gar nicht mehr geht. Allein Zoe hat tatsächlich jemanden gefunden, der die magischen drei Worte „Ich liebe dich!“ ausspricht – auch wenn sie nicht wirklich so gemeint sind.

Allein Albert (Heiko Senst) wird eine Entwicklung zugebilligt; erst cooler Countrystar, dann abgezockter Ganove, darf er sogar schwach und von Zoes Liebe so geblendet werden, dass er vermeint, in Liebe zu erstrahlen. Alle anderen sind Abziehbilder. Zoe singt hysterisch, Picard fuchtelt mit dem Revolver herum, Lotte deeskaliert, und Franz Frickels Werther ist zum traurigen Clown mutiert. Ein großes Durcheinander, in dem leider wenig passt. TOM MUSTROPH

„Werther in New York“, bis 17. 12., Mi–So, 20.30 Uhr, Stuekke Theater, Palisadenstr. 48, Friedrichshain

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen