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Abflachung auf hohem Niveau

In Oranienburg gibt es eine unübersehbar rechte Szene. Bei einer Diskussion wird immerhin mal darüber geredet

„Jetzt ist Oranienburg dran“, sagt Pfarrer Bernhard Fricke zu Beginn. Was wie eine Drohung klingt, beschreibt einen Prozess. Seit dem Sommer veranstaltet das Forum gegen Rassismus und rechte Gewalt Oberhavel in den Kreisgemeinden Diskussionen. Am Montag hatte man in die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten geladen. Thema: Rechtsextremismus in Oranienburg.

Der Sitzungssaal der Stiftung ist überfüllt – etwa 100 Personen sind gekommen. Das ist viel für eine 30.000-Einwohner-Stadt in Brandenburg, die als rechte Hochburg gilt. Und obwohl Oranienburg seit 1998 nicht mehr im Verfassungsschutzbericht auftaucht – kaum gerichtsnotorische Vorfälle –, fühlen sich die hier Lebenden nicht sicher.

Wer im Berufsverkehr am frisch renovierten Bahnhof aus- oder umsteigt, muss an jugendlichen Glatzen vorbei: die Hosen hochgekrempelt, persilweiße Schnürsenkel, an der Bomberjacke gut sichtbar der „White Power“-Aufnäher, Bierflasche in der Hand. Abends wummern tiefergelegte Golfs mit Rechtsrock durch die Innenstadt, nachts sollte man die Abkürzung durch den Schlosspark meiden.

Wenn der Leiter der Oranienburger Hauptwache, Rosenburg, auf der Veranstaltung schildert, dass eine Tempelhofer Schulklasse auf ihrem Weg zur Gedenkstätte Sachsenhausen Polizeischutz angefordert hat, ist das ein Erfolg für die Rechten. Doch Rosenburg hält die Angst für übertrieben. „Oranienburg ist eine Stadt wie jede andere, liebe Frau“, habe er der Lehrerin gesagt. Die Zahl rechter Straftaten sei rückläufig.

Günter Morsch hingegen, Leiter der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, spricht von einer „Abflachung auf hohem Niveau“ im Bereich rechter Kriminalität. Die Mitarbeiter der Gedenkstätte führen Buch: Seit 1992 gab es auf dem Gelände des ehemaligen KZ Sachsenhausen 80 Vorfälle, vom Hitlergruß bis zum Brandanschlag. Etwa zwei Drittel der Täter stammten aus Oranienburg und den umliegenden Orten. Keine Entwarnung.

Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke (SPD) sieht das entspannter. Er lobt die Jugendarbeit. Im Kontakt mit Aussiedlern und Asylbewerbern gelte es Berührungsängste abzubauen: „Dann merkt man, Pawel, Iwan und Ibrahim sind auch ganz nette Kerle“, so Laesicke forsch. Einig ist er sich mit Morsch, dass durch das Öffnen der Gedenkstätte zur Stadt, durch das Führen oft harter Auseinandersetzungen ein Dialog zum Nutzen beider Seiten entstanden sei.

Bürger melden sich. Sie berichten über den unsensiblen Umgang der Polizei mit Zeugen, über die Herausgabe persönlicher Daten an die Täter. Die PDS-Seniorenfront meldet sich und will die ganz große Gesellschaftskritik. Eine Mutter erzählt mit kippender Stimme vom Handel mit rechten Devotionalien an der Schule ihres Sohnes. Pfarrer Fricke drängt auf gemeinsames Handeln. Im Forum gegen rechte Gewalt, das jährlich die Antirassismus-Demo in Oranienburg organisiert, werde konkrete Flüchtlingsarbeit geleistet, würden Netzwerke geknüpft. Gemeinsamkeit mache Mut.

Dann meldet sich ein Mittfünfziger. Er schwadroniert über Politikverdrossenheit im allgemeinen, den verbotenen Judenwitz als Ausdruck mangelnden Nationalbewusstseins. Veranstaltungen wie heute besuche er gern wegen ihres hohen Unterhaltungswerts. Dass die Zahl der Jugendstraftaten zurückgehe, stehe in Zusammenhang mit der Gründung des NPD-Kreisverbandes 1999. Man hole eben die jungen Leute von der Straße. Als er endet, klatschen vor allem die jungen Leute im Saal. Es gibt in Oranienburg noch vieles zu besprechen. ANJA MAIER

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