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„Fox hat eher Angst vor uns“

Der Machtwchsel ist erst der Anfang. Die Veränderungen, die Mexiko wirklich braucht, stehen noch bevor:Die Schriftstellerin Carmen Boullosa über den neuen Präsidenten, den Umbruch der Gesellschaft und die Linke

taz: Ihr Kollege Paco Ignacio Taibo II sagte vor einiger Zeit, dass er, um die „PRI-Mafia“ wegzukriegen, sogar einen Pakt mit dem Teufel eingehen würde. Heute hat man in linken Kreisen den Eindruck, dass manche das altbekannte Feindbild dem „unbekannten“ Fox vorgezogen hätten.

Carmen Boullosa: Schon aus Prinzip ist das bekannte dem unbekannten Übel niemals vorziehen. Wenn nicht zufällig ein Großteil der Mexikaner in extremer Armut leben würde, müsste man natürlich keine Experimente machen. Aber im Ernst: Es ist lächerlich, zu behaupten, dass es besser gewesen wäre, sich gar nicht vom Fleck zu bewegen. Was die so genannte Wende angeht, so kann ihr natürlich niemand, der seine Sinne beieinander hat, mit Optimismus entgegensehen. Es ist nur eine Übergangphase zu den Veränderungen, die Mexiko wirklich braucht. Auf dass die Staatspartei endlich zusammenbricht, dass der Staat als wahrer Staat agiert, dass die Gesetze das zivile Leben bestimmen, dass die Schätze des Landes auch wirklich im Land bleiben.

Glauben Sie, dass diese neue Unternehmerregierung dazu irgendetwas beitragen kann?

Nun ja, wenn jetzt das Imperium des entfesselten Kapitals errichtet wird, ohne dass es Gesetze und einen gesunden Staatsapparat gibt, die dessen Gier Einhalt gebieten und die Bürgerrechte schützen können, dann sind wir in der Tat böse dran. Aber das glaube ich nicht. Und was war denn früher: eine Staatspartei, die eines der reichsten Länder der Welt ohne Rücksicht auf die Mehrheiten und mit allen Freiheiten für das Kapital regiert hat.

Dennoch äußern viele –Feministinnen, Künstler, Gays, Atheisten – ihre Angst vor einem reaktionären Rollback unter Fox.

Ich glaube, Fox hat eher Angst vor uns. Wir haben ihm schon Grenzen gesetzt – auf all die Versuche von Zensur und Beschneidung der Freiheiten hat es immer wieder eine klare Reaktion all dieser Gruppen gegeben. Die sind präsent in den Medien. Selbst wenn Fox es wollte, er kann es sich nicht leisten, gegen die Grundlagen der Toleranz vorzugehen. Die Gefahr liegt woanders: Wenn er einen toleranten Gesundheitsminister ernennt und dafür einen Finanzminister, der für die Fortsetzung der neoliberalen Politik steht, dann geht es ihm offenbar nicht so sehr darum, gegen die Minderheiten zu regieren – sondern um eine Wirtschaftspolitik, die weiterhin die Mehrheit der Bevölkerung ausschließt.

Interview: ANNE HUFFSCHMID

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