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Preußen lebt!

Und zwar als Wanderzirkus im Ersten (So., 14.30 Uhr, ARD) sowie multimedial-spannend im Internet. Aus Mangel an Zeitzeugen und bewegten Bildern macht Katharina Thalbach selbst den Alten Fritz

von NICOLE MASCHLER

„Jawohl, ich glaube, dass Preußen lebt“, schreibt einer auf der Homepage zur gleichnamigen ORB-Sendung. Zu den Jahr-2001-Feierlichkeiten startete der ORB am vergangenen Sonntag die „Chronik eines deutschen Staates“. 300 Jahre preußische Geschichte, vom Kurfürstentum bis zur Auflösung des Staates 1947. Fernsehsechsteiler, Radiochronik und interaktiver Webauftritt – eine trimediale Geschichtsstunde. Doch die Programmchefs waren vom Lernerfolg offenbar nicht überzeugt: Der Sendetermin, quotenfeindlich am frühen Sonntag nachmittag platziert, wandert wöchentlich. „Das war eine Entscheidung des Ersten, mit der wir nicht glücklich sind“, sagt eine ORB-Sprecherin.

Die Chronik ist vor allem ein Lehrstück in Sachen Geschichtsvermittlung. Das Preußen-Projekt sollte an die preisgekrönte „Chronik der Wende“ anknüpfen, vom ORB im Oktober 1999 zum Jahrestag des Mauerfalls ebenfalls multimedial aufbereitet. Die Website umfasst heute das größte Wendearchiv im Netz.

Der Sender wollte auf den Geschichtszug aufspringen – und hat dabei übersehen, dass Erich Honecker dem Zuschauer naturgemäß näher liegt als der „Große Kurfürst“. Ohne O-Töne und Filmaufnahmen, allein mit Ölbildern, Holzstichen und alten Landkarten lässt sich der Odem der Geschichte eben nur schwer einfangen. Aus Mangel an Zeitzeugen muss Katharina Thalbach als Alter Fritz, Königin Sophie Charlotte und Hauptmann von Köpenick herhalten. „Humorvoll und hintersinnig“ kommentiere sie die Ereignisse, verspricht der Sender. Doch die Spielszenen wirken bemüht.

Spannender ist der Webauftritt unter www.preussenchronik.de: Der User kann Personen oder Schauplätze anklicken oder Themen wie „Deutsche Einheit unter Preußen“. Dazu gibt es ein Quiz und Chats. „Die Chronik der Wende“, glaubt Content-Manager Werner Voigt, „klebte viel enger an der Serie.“ Ein Versuchsballon: Wie verändert sich durchs Surfen das Preußen-Bild? „Auch für uns ist es ein Wagnis.“

Erst in dieser Woche haben die ARD-Intendanten beschlossen, das Online-Angebot auszubauen. Das beschränkt sich bisher auf Programmbegleitendes. Doch schon jetzt schreien die Privaten, dass sich ARD und ZDF im Netz nicht mit Gebührengeldern „breit machen“ dürften. Solange sich die online flankierten Sendungen freiwillig in die Nische zurückziehen, dürfte allerdings kein Grund zur Sorge bestehen.

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