piwik no script img

Sebnitz jetzt wieder ohne Fehl und Tadel

Josephs Familie bedauert die Pauschalverurteilung der Stadt. Sachsens Justizminister erhebt schwere Vorwürfe gegen Schröder und die Medien

SEBNITZ/BERLIN taz ■ Die Familie des toten Joseph hat die Verunglimpfung der Stadt Sebnitz bedauert. Das sagte Oberbürgermeister Mike Ruckh (CDU) gestern in Sebnitz nach einem Gespräch mit der Familie. Sie habe mit ihren Ermittlungen zu den Todesumständen des Kindes kein derartiges Negativ-Echo bewirken wollen und lehne die Pauschalverurteilung der Stadt ab, gab der Oberbürgermeister sein Gespräch wieder. Nach Angaben Ruckhs möchte die Familie mit ihrer Rückkehr demonstrieren, dass sie sich in Sebnitz wohl gefühlt habe und wohl fühle.

Harsche Kritik am Verhalten von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und an der Berichterstattung der Medien übte dagegen Sachsens Justizminister Manfred Kolbe (CDU). Kolbe kritisierte, dass Schröder, der noch vor Tagen die Mutter des toten Jungen im Bundeskanzleramt empfangen hatte, seit einer Woche zu dem Fall schweige. Er forderte den Bundeskanzler auf, den Sebnitzern beizustehen, denn Schröder sei auch der „Kanzler der Sebnitzer“.

Schwere Vorwürfe erhob Kolbe auch gegen die Bild-Zeitung, die den Fall publik gemacht hatte. Durch die „vorverurteilende Berichterstattung“, so Kolbe, „ist eine ganze Stadt regelrecht exekutiert worden“. Jetzt aber, da sich die rechtsextremistischen Vorwürfe gegen die gesamte Stadt als haltlos erwiesen hätten, sei die Schlagzeile „Entschuldigung, Sebnitz“ auf der Titelseite fällig. Die Bild-Zeitung wies alle Vorwürfe umgehend zurück. Auch die Eltern des Jungen bleiben nach wie vor bei ihrer Auffassung, dass ihr Sohn im Juni 1997 im Sebnitzer Freibad „Dr. Petzold“ von Rechtsextremisten ertränkt wurde.

Am Donnerstagabend war das Ehepaar Kantelberg-Abdulla unter Polizeischutz nach Sebnitz zurückgekehrt. „Wir fürchten uns nicht vor den Sebnitzern. Nicht alle sind schlecht, sondern nur die, die unseren Sohn umgebracht haben“, sagte Renate Kantelberg-Abdulla.

Der Empfang der Familie fiel allerdings eher nüchtern aus. Nachbarn äußerten: „Das darf ja wohl nicht wahr sein“, „die Stimmung ist gegen die Familie.“

Noch vor der Rückkehr des Apotheker-Ehepaares nach Sebnitz hatten zwei Vertreter der Dresdner Staatsanwaltschaft und 15 Polizisten das Haus der Familie mehrere Stunden durchsucht. Grundlage der Aktion: Die drei in der vergangenen Woche verhafteten jungen Leute, die inzwischen wieder auf freiem Fuß sind, haben Strafanzeige gegen Renate Kantelberg-Abdulla wegen Anstiftung zur falschen Verdächtigung gestellt. Sichergestellt wurden inzwischen auch Gewebeproben des Jungen, die im gerichtsmedizinischen Institut in Gießen aufbewahrt waren. Die Eltern hatten bislang eine Herausgabe verweigert. jr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen