Kaffee kochen und töten

Sozialrevolutionäre Killerarbeit im kapitalistischen System: Johnny Tos „The Mission“

Vor der Mission sind sie alle gleich: Aussehen, Alter, Schnelligkeit sind nur irrelevante Bruchstücke einer Biografie, die als berufliche Referenz ohne Wert ist. Das Wort eines Killers ist alles, was zählt. Und der bedingungslose Gehorsam gegenüber dem Gottvater, dem Oberhaupt der Yakuza. Seinen Marktwert erkennt man an der Zahl seiner Bodyguards. Mr. Lung bekommt fünf. Noch ein (gott)väterliches „Jungs, seid bitte alle vorsichtig!“ mit auf den Weg – und ab. Macht die Scheiße wieder sauber.

Johnny Tos dritter Autorenfilm „The Mission“ ist eine Studie der Arbeit in all ihrer Kleinteiligkeit und nervenzerfetzenden Redundanz. Wo das Kaffekochen genauso zum Alltag gehört wie die Konfrontation mit dem Feind. Zu Beginn zeigt To, wie James seine Automatik mechanisch zusammensetzt, bezeichnenderweise im Split-Screen-Verfahren: rechts der Killer, dessen Bewegungen andeuten, was sich links in den drei untereinander angeordneten Fenstern offenbart. Schön säuberlich voneinander getrennt.

Tos Bilderführung lässt keinen Zweifel an der ökonomischen Dimension der fatalen Zusammenkunft. „The Mission“ ist nicht zuletzt ein Arbeiterfilm unter den Bedingungen eines hochkapitalistisch-feudalen Systems. Der ganze Trott des Alltags wird mit neo(n)realistischer Sachlichkeit in Szene gesetzt. Die feindlichen Attacken brechen perfekt getimet in das dumpfe Herumsumpfen, das zusammenschweißt. Und dann ist da dieses immerblaue Licht, das wie schon bei „Running out of Time“ aus allen Ritzen strömt und dessen Reflektionen eine wellenförmige Struktur auf die Architektur Tokios werfen. Spätestens in diesem Licht werden sie endgültig alle gleich, die fahlen Zombies der Großstadt. Kaum zu glauben, dass Johnny To jemals eine konventionelle Ästhetik ohne eigene Handschrift vertreten haben soll. Seine Bilder haben den bleibenden Wert von Fotografien, und das nicht nur, weil er die Bewegungsabläufe bis zur Statik verlangsamt. Aus der meditativen Dynamik der Schnitte wächst ein Urvertrauen in das Weglassen und die geradezu paranormale Konzentration auf das brutal Unspektakuläre, aus denen der Film zusammenmontiert ist.

Was aber tun, wenn plötzlich Kodex gegen Kodex steht? Das Arbeitsethos gegen die Männerfreundschaft, der sich in „The Mission“ bezeichnenderweise mit Kinderzigaretten versichert wird? Nach der Arbeit stellen sich nämlich erst die wahren Aufgaben, über die der Profi sich sein Klassenbewusstsein zurückerkämpfen kann. Die Infragestellung der Besitzverhältnisse im hierarchischen Gefüge (verhandelt an der Frau des Chefs) ist der Keil, der zwischen die fünf Bodyguards getrieben wird. Es ist der Punkt, an dem sich der Wert des Individuums und der Freundschaft beweisen muss. Fünf oder null. Die Solidarität des Kollektivs als Sozialrevolution im Kleinen, gegen das System aus Pflicht und Gehorsam. Denn das Fleisch ist das Erste, was stirbt. Was bleibt, ist die Würde.

ANDREAS BUSCHE

„The Mission“. Regie: Johnny To. Hongkong 1999, 81 Min.