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Orgasmus mit Henning

■ Scherf liest die Bremer Stadtmusikanten

Das Schöne an Identität ist ja, dass einem nie langweilig wird. Dass auch tausendmal Gehörtes immer wieder wunderbar ist. Umso wunderbarer, je mehr Symbole von Identität sich auf einen Haufen knubbeln. Einen wahren Identitätsorgasmus erleben Eingeborene dann, wenn der Bremer Bürgermeister Henning Scherf vor Bremer Kindern die Bremer Geschichte von den Bremer Stadtmusikanten vorliest, wenn das Ganze auf CD gebrannt wird, und auf dem Cover der Mann mit dem großen Lächeln vor dem Bremer Rathaus in den Bremer Himmel guckt.

Das macht er gut. Das Lächeln und das Vorlesen. Erzählt die Geschichte von den alten Tieren, die auf dem Weg ins gelobte Bremen noch zu Helden werden, wie ein Profi: Betont an den richtigen Stellen, spricht langsam, gibt dem Esel eine tiefe, dem Hund eine alte und der Katze eine krächzende Stimme. Am schönsten aber ist Hennings Hahn: Der kräht geradezu. Wie im Leben eben. Macht richtig Spaß.

Es folgen Lieder über Esel, Hunde, Katzen und Hähne, geschrieben von Hugo Vogel, gesungen von Evelyn Gramel – kindgerecht, fein. Und dann kommt das Beste.

Kinder haben Henning Scherf im Rathaus besucht und ihn alles das gefragt, was Kinder halt so fragen in so großen Häusern. „Wie finden Sie Ihren Arbeitsplatz“, kiekst ein Stimmchen, und Henning dröhnt: „Der schönste, den ich mir vorstellen kann.“ Oder: „Fühlen Sie sich wie ein Schlossherr“, lispelt es aus dem Off, und der Hausherr sagt artig: „Nicht wie ein Schlossherr, wie ein Mitarbeiter.“ Manchmal, gesteht er dann, „setze ich mich ganz alleine in den oberen Rathaussaal und gucke mich um und höre in den Raum und kriege auf einmal ganz viel Mut.“ Spätestens da schluckt der Hörer und ist glücklich, beseelt, ja sagen wir doch wie es ist: stolz, ein Bremer zu sein. sgi

Die CD „Der Bremer Bürgermeister Henning Scherf liest die Bremer Stadtmusikanten“ kostet 27,50 Mark.

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