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Spiel’s noch einmal ...

Für die meisten ist es Liebhaberei, für ein paar Hartnäckige Profession: Spieleerfinder und Kleinverleger eint vor allem der Wunsch nach ausgetüfteltem Zeitvertreib. Idealismus und Geschäftssinn gehen Hand in Hand bei den Kleinen der Branche

von OLE SCHULZ

Der Weg zum Spieleerfinder war nicht gerade der unbeschwerlichste: Anfang der 90er-Jahre hatten Günter Cornett schon drei Verlage zugesichert, sein Spiel „Schlangennest“ in ihr Programm aufzunehmen. Weil daraus aber nichts wurde, gründete er daraufhin mit einem Partner den „Bambus Spieleverlag“.

Den Verlag kann man getrost als klein bezeichnen: Bis heute regelt der 41-Jährige die Geschäfte von seiner Kreuzberger Einzimmerwohnung aus; um den überbordenden Spielkram lagern zu können, musste Cornett extra eine Zwischendecke einziehen. „Zurzeit ist gerade mal auf dem Hocker vor dem Computer Platz frei“, beschreibt er das kreative Chaos bei ihm zu Hause. Das Finanzamt unterstellt zwar hin und wieder, er betreibe den Verlag aus „Liebhaberei“ und nicht als wirtschaftlich seriöses Unternehmen, doch immerhin hat er Cornett den Weg dafür geebnet, sich als Spieleautor verdingen zu können – eine Tätigkeit, die ihn mehr ausfüllt, als nur LKW zu fahren.

Cornett hat in seinem Leben schon allerlei gemacht: Er war Kraftfahrer, zwischendurch jobbte er auch mal als taz-Handverkäufer, dann ließ er sich zum HTML-Layouter fortbilden. Heute betreibt er den Verlag, schreibt Spielerezensionen für Zeitungen und hat sich inzwischen auch als Spieleautor einen Namen gemacht: Sein Spiel „Arabana-Ikibiti“ wurde unter dem Titel „Kahuna“ in das Verlagsprogramm von Kosmos aufgenommen und 1998 für das „Spiel des Jahres“ nominiert (29,95 Mark, ab 8 Jahre). „Kahuna“ ist ein Zwei-Personen-Spiel, das in eine Fantasiewelt mit zwölf Archipeln entführt. Mit kleinen Holzstäben müssen Brückenverbindungen zwischen den Inseln hergestellt werden, was über einen Verteilungsmechanismus mit 24 Kärtchen gesteurt wird. Gewonnen hat, wer die Brücken-Vorherrschaft über die Mehrheit der Inseln erlangt hat.

Ein „taktisches Schmankerl“ sei „Kahuna“, schrieb ein Kritiker, die einfache Grundregel „Ausgangsbasis für ein vielschichtiges und spannendes Spiel“. Wichtig ist Cornett bei den Spielen, die er entwickelt, dass sie ein gewisses taktisches Geschick erfordern. Der „Glücksfaktor“ könne zwar auch eine Rolle spielen – in jedem Fall dürfe aber „der Lohn am Ende nicht einfach ausgewürfelt werden“.

Wie schwierig es ist, angesichts von Branchengrößen wie Ravensburger oder Kosmos als Kleinverleger zu bestehen, davon kann auch Cornetts Kollege Alan R. Moon ein Lied zu singen: „Don’t do it. Never, ever“, rät der Amerikaner aus Erfahrung. Denn auch Moon, der 1998 mit „Elfenland“ den „Spiel des Jahres“-Preis gewann (Amigo Spiele, 39,95 Mark, ab 10 Jahre), hat sich früher mal als Kleinverleger versucht. Es verlange „gleichermaßen Idealismus und Geschäftssinn“, Spiele im Eigenverlag herauszubringen, weiß Cornett. Auf der Webseite des Verlags hat er gemeinsam mit seinem Partner Volker Schäfer das sympathische Bambus-Motto formuliert: „Wir sind keine Profis, aber wir machen gute Spiele.“

Unter den sechs Spielen, die derzeit im Programm des Kleinverlags sind, befindet sich auch „Nanuuk!“, ein taktisches Familienspiel, das an die Jagd der „Inuit“ angelegt ist (47 Mark, ab 8 Jahre); in dem von Cornett verfassten Begleitheft wird unter anderem erklärt, warum sich die Bewohner der Arktis selber lieber „Inuit“ nennen, also Mensch, und nicht „Eskimo“ – denn übersetzt heißt das „Rohfleischesser“.

Tüftler, die ausschließlich davon leben, Brettspiele zu erfinden, gibt es in Deutschland noch nicht einmal eine Hand voll. Dafür aber umso mehr, die in ihrer Freizeit an Spiele-Ideen frickeln und darauf hoffen, dass ein Redakteur der großen Spieleverlage darauf aufmerksam wird. „In der Szene kennt man sich untereinander“, sagt der Berliner Spieleautor Hartmut Kommerell. Man begegne sich alljährlich beim Spieleautoren-Treffen in Göttingen oder bei der Spielemesse in Essen. Trotz der Konkurrenz sei das Verhältnis unter den Spieleerfindern sehr offen. „Wenn ein neues Spiel in einer Testrunde vorgestellt wird, kommt es häufig vor, dass ein anderer Autor mit Verbesserungsvorschlägen hilft.“

Kommerell gehört zu den nebenberuflichen Tüftlern – tagsüber arbeitet er als Mathematiker, danach widmet er sich seinem ausgeprägten Spieltrieb. Damit ist er so erfolgreich, dass man von einem Hobby kaum mehr reden kann: „Banguti“ zum Beispiel, ein Kartenspiel, bei dem die Kunstfertigkeit verschiedener afrikanischer Holzmasken miteinander verglichen wird, ging mittlerweile in die zweite Auflage (Adlung Spiele, 9,90 Mark, ab 10 Jahre).

Diesen Winter soll mit „offline“ Kommerells viertes Spiel erscheinen (Franjois Spiele-Verlag, 35 Mark, ab 12 Jahre). Die Entstehung des Spiels zeigt auch die Zwänge des Marktes: Unter dem Namen „Bilder einer Ausstellung“ hatte Kommerell ursprünglich einen Wettstreit zwischen Kunstliebhabern vorgesehen, die bei einer gemeinsam geplanten Ausstellung versuchen, jeweils ihre Lieblingsbilder und -maler unterzubringen. Doch weil das grafisch zu anspruchsvoll gewesen wäre, wurde die Idee auf Werbung im Internet übertragen und, weil sich andere bereits den Namen „online“ hatten schützen lassen, das Spiel schließlich „offline“ getauft.

Kommerell lässt seiner Fantasie trotzdem weiterhin freien Lauf, ohne gleich an Schwierigkeiten bei der Umsetzung zu denken. Gerne würde er etwa die Geschichte des Baulöwen Schneider auf ein Brettspiel ummünzen: Dabei soll es darum gehen, so viel wie möglich Kredite aufzunehmen, um neue Bauprojekte zu finanzieren.

Die Spiele des „Bambus-Spieleverlags“ sind zu beziehen über Tel: 612 12 84 oder www.bambusspiele.de sowie erhältlich bei der „Bürospiel-Box“, Pücklerstr. 19, 10997 Berlin. Unter www.spieleregal.de hat Cornett 18 Kleinverlage organisiert, die derzeit einen gemeinsamen Vertrieb aufbauen.

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