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Die Hausbesetzerin: Michaela Sonnentag

Ich habe mehr als mein halbes Leben in besetzten und ehemals besetzen Häusern zugebracht. In Punkaufgängen versteht sich, denn ich war damals Punk. 1982, ich war damals 18, bin ich dann in das Haus eingezogen, in dem ich heute immer noch lebe. Man macht zwar nicht mehr so viel zusammen wie früher, aber wir sind wie eine große Familie. Den einen mag man mehr, den anderen weniger. Ich bin damals mit einer Plastiktüte hier eingezogen. Als Punk hatte ich meine Zeit mit Schnorren und Trinken zugebracht. Meine Mitbewohner gehörten zur Verhandler-Liga. Sie haben mich nicht gerade getreten arbeiten zu gehen, aber es kamen immer wieder Vorschläge für Lehrstellen. Inzwischen habe ich eine Ausbildung zur Rechtanwaltsgehilfin gemacht und mein Abitur nachgeholt. Heute bin ich Diplombiologin, genauer gesagt Wüstenvegetationskundlerin. Man schläft mit Herzenklopfen ein, weil man am nächsten Tag Prüfung hat, macht sich Sorgen über den Job, der nur zwei Jahre läuft, und diskutiert über die Rente. Diese Zukunftsängste hatte man damals nicht. Das Lebensgefühl war: Keinen Groschen in der Tasche, aber die ganze Welt ist mein Aschenbecher.

Michaela Sonnentag (36) ist Diplombiologin FOTO: PRIVAT

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