Filmstarts à la carte
: Propaganda mit Technicolor

Shakespeares Königsdrama „Heinrich V.“ gehört zu den umstrittensten Stücken des Meisters. Erhebt der junge britische Monarch doch unter fadenscheinigsten Gründen Anspruch auf den französischen Thron und zieht gegen das Nachbarland in den Krieg. Als Kenneth Branagh 1989 mit der Verfilmung von „Henry V.“ sein Regiedebüt gab, trug er der Zwiespältigkeit dieser Figur Rechnung: Sein Henry wandelt sich von einem jugendlich-überschwänglichen Herrscher, der von eigensüchtigen Beratern zum Krieg gedrängt wird, zu einem nachdenklichen König, für den der Sieg in der blutigen Entscheidungsschlacht keinen Triumph, sondern eher ein Wunder darstellt. Auch Laurence Olivier hatte 1943 mit “Henry V.“ erstmals die Inszenierung eines Films übernommen - allerdings unter ganz anderen Voraussetzungen. Damals befand sich England im Krieg mit Deutschland, und der berühmte Mime besaß einen klaren Auftrag der Regierung: Dass Henry in der Schlacht bei Azincourt die arroganten und zahlenmäßig weit überlegenen Franzosen geschlagen hatte, sollte als Parallele im Propaganda-Kampf gegen die Nazis dienen. Zudem waren die prächtige Ausstattung und das farbenfrohe Technicolor des Films als Extra-Bonbon gedacht, um die Moral der vom Bombenkrieg gebeutelten Briten zu stärken. Die Propaganda fiel auch deshalb so effektiv aus, weil Olivier Henry nicht nur als selbstbewussten Feldherrn, sondern als Vater der Nation zeigt, der sich der Nöte und Sorgen seiner am Krieg zweifelnden Untertanen durchaus bewusst ist. Denn die Schlacht wird ob dieser Erkenntnisse noch bitterer, der notwendige Sieg jedoch um so triumphaler. Natürlich überzeugt „Henry V.“ auch als Shakespeare-Verfilmung: Von der Stilisierung einer Aufführung im Globe Theatre des 16. Jahrhunderts arbeitet sich der Film langsam in immer realistischere Gefilde vor.

“Henry V.“ (OF) 20.12. im Arsenal 2

Zur gleichen Zeit wie Oliviers „Henry V.“ entstand auch “A Canterbury Tale“ von Michael Powell und Emeric Pressburger, die sich hier allerdings nur vage auf Chaucer und seine Geschichten von den Canterbury-Pilgern beziehen. Vordergründig kreist die im England der Kriegszeit spielende Geschichte um den „Leimmann“, der Frauen, die abends in Canterbury und Umgebung mit Soldaten ausgehen, Leim in die Haare gießt. Als er schließlich von einer jungen Frau, einem britischen und einem amerikanischen Soldaten entlarvt wird, stellt er sich als gar nicht so unsympathische Figur heraus, die - auf diese drastische und leicht überhebliche Weise - das Interesse der vergnügungssüchtigen jungen Leute auf Geschichte und Mythologie Canterburys lenken will. Natürlich spielt auch die Verständigung von Briten und Amerikanern eine Rolle sowie eine etwas mystizistische Naturauffassung, die man auch aus anderen Powell/Pressburger-Filmen wie „Black Narcissus“ und „Gone to Earth“ kennt. Ziemlich seltsam, aber auch sehr schön.

“A Canterbury Tale“ (OF) 18.12. im Arsenal 2

Keine Weihnachtszeit ohne Weihnachtsfilm: Henry Selicks „Nightmare Before Christmas“ erzählt vom Gerippe Jack, das gemeinhin mit der Organisation der Schrecknisse zu Halloween betraut ist und diesen Job immer deprimierender findet. Doch in diesem Jahr wird alles anders: Jack beschließt, gemeinsam mit den Bewohnern von Halloweentown die Weihnachtsbescherung vorzunehmen. Allerdings finden die Kinder Schrumpfköpfe unter dem Tannenbaum gar nicht so lustig... Nach einer Idee von Tim Burton entstand ein exzellenter Animationsfilm im aufwendigen Stop-Motion-Verfahren mit ausdrucksstarken Puppen und einer spürbaren Liebe zum gruseligen Detail. Und weil “Nightmare“ wie so viele Trickfilme auch ein Musical ist, gibt es noch viele schöne Lieder dazu - auf dass es einem warm ums Herz werde...

“Nightmare Before Christmas“ 14.12.-20.12. im Blow Up 2 und im Filmrauschpalast

Lars Penning