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Leben als fade Fertigpizza

Als Zyniker gestartet, als Comicfiguren gelandet: Mit „Herr Kolpert“ von David Gieselmann zeigt die Schaubühne ihre erste Komödie. Schwarz, natürlich. Schnell, natürlich. Und Tiramisu missbrauchend

von KATRIN BETTINA MÜLLER

Die Dame des Hauses hat nicht gekocht, sie hatte Größeres vor. Also gibt es zur Abendeinladung pappige Fertigpizza vom Lieferservice; ungefähr so zäh und farblos, wie die schmeckt, beschreiben die Gastgeber Sarah und Ralf, erfolgreich in der Dienstleistungsgesellschaft, ihr ganzes Leben. Deshalb haben sie, um endlich zu spüren, „dass wir Menschen sind“, einen Mord inszeniert und Sarahs Arbeitskollegin Edith mit ihrem Mann Bastian als Zuschauer geladen.

Natürlich gerät der Abend aus dem Gleis. Was als bitterböse Farce mit feinen Sticheleien zwischen verwöhnten Snobs und politisch korrekten Diabetikern beginnt, schlittert in den Klamauk. Nicht zuletzt, weil Bastian, der als Einziger zu seinem Spießertum steht, Ironie nicht leiden kann und Witze wörtlich nimmt. Feinsinniges Gleiten zwischen Sein und Schein ist mit ihm nicht zu machen. Geschmiert wird die Rutschpartie vom reichlich verteilten Tiramisu auf dem Parkett der schicken Dachgeschosswohnung. Zudem beschleunigt eine kleine Jazzkappelle die Prügeleien unter Eheleuten und Verfolgungsjagden durch den Kleiderschrank mit zirkusreifem Tempo.

Früher begannen Theaterhelden ihr Leben auf der Bühne als Revolutionäre, um nach schweren inneren Kämpfen als Zyniker zu stranden. Heute gehen sie gleich als Zyniker an den Start und enden als Comicfiguren. Niemand glaubt mehr, dass die Menschheit im Allgemeinen klüger wird, und dennoch ist fast jeder überzeugt, die Hilfskonstruktionen und Lebenslügen seiner Vorgänger zu durchschauen. Auch „Herr Kolpert“, von David Gieselmann geschrieben und von Marius von Mayenburg und Wulf Twiehaus an der Schaubühne inszeniert, steht unter dem Druck, noch eins draufzusetzen; schließlich darf sich gerade dieses weltweit beobachtete Theater nicht ausruhen. Orgien, Depressionen, Leben im Container kennen wir schon. Wohin jetzt?

Mit „Herr Kolpert“ wagt sich David Gieselmann an eine komödiantische Bearbeitung dessen, was zuletzt nur noch als Verzweiflung zu haben war. Seine Protagonisten kommen vom anderen Ende der Gesellschaft als die in den Stücken der englischen und norwegischen Dramatiker; fast könnte man sie für Schaubühnengänger halten. Sie sind nicht Beschädigte und leiden doch in ihrer Saturiertheit am gleichen Problem: Wie bringen wir den am Nullpunkt angelangten Gefühlshaushalt wieder auf Touren? Nicht umsonst vergleichen sich Sarah und Ralf immer wieder mit Filmfiguren. Dass die Sensationen, die sie sich aus der Medienrealität in die eigene Welt herüberholen, einer unbefriedigenden Dramaturgie folgen, merken sie spät. „Ich fühl mich normal“, klingt Sarahs fast enttäuschtes Fazit nach dem Blutrausch.

Allein die parodistische Schlaufe, mit der „Herr Kolpert“ Genremuster à la „Natural Born Killers“ unterlaufen will, haut nicht so ganz hin. Zu wenig wühlen Bastian und Ralf, die als Architekt und Chaosforscher in schicken Berufen Karriere machen, Maskerade und Eitelkeiten der neuen Mitte auf. Zu schnell gibt der Wortwitz an den Slapstick ab und der Slapstick an den Splatter. Wahre Bosheit lässt ihre Opfer länger zappeln.

Nächste Vorstellungen: 15., 16., 20.– 22. Dezember in der Schaubühne

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