BSE ist keine Strafe Gottes

Börsenkurse? Fehlanzeige! Dafür steht in der taz, welche Wirkung die Ökonomie auf die Umwelt hat

von BERNHARD PÖTTER

Gestern wurde eines der wirksamsten Marketingelemente für die taz aus dem Verkehr gezogen: Der Super-Gau im AKW Tschernobyl am 26. April 1986 und seine Folgen haben uns bei der Auflagenentwicklung enorm geholfen. Not lehrt taz lesen, besonders wenn es um ökologische Desaster geht. Seit fast 22 Jahren hat die taz bei ökologischen Fragen die Nase vorn. Nicht umsonst gab es hier die erste Umweltredaktion in der deutschen Zeitungslandschaft.

Inzwischen gibt es kein Medium mehr, das sich nicht mit Vehemenz und mehr oder weniger Sachkenntnis auf Umweltthemen stürzt. Doch während andere noch diskutieren, ob soundso viel Nanogramm einer Chemikalie schädlich sind und wie man am besten die Joghurtbecher vor dem Recycling wäscht, ist die taz schon wieder einen Schritt weiter. Seit der Gründung der gemeinsamen Redaktion Wirtschaft und Umwelt denken und schreiben wir zusammen, was zusammengehört: die Konzernstrategie der Energieversorger und das globale Klimaproblem; die Finanzpolitik der Industrieländer mit ihren Auswirkungen auf die sozialen und ökologischen Lebensbedingungen in den Ländern des Südens; den Aktienrausch an den Börsen und die Lage der Beschäftigten unter dem gnadenlosen Prinzip des Shareholder-Value.

Keine Privatsache

Andere Zeitungen haben ihren Wirtschaftsteil in den letzten Jahren massiv verstärkt. Das würden wir natürlich auch gern tun. Doch was andere Zeitungen ihren Lesern beim Stichwort „Wirtschaft“ zumuten, ist nicht Sache der taz. Oft wird das ökonomische Geschehen dort nur nacherzählt und höchstens daraufhin analysiert, mit welchen Aktien man Geld gewinnt. Die taz dagegen begreift Wirtschaft nicht als Privatsache. Denn ökonomische Entscheidungen greifen oft weitaus stärker in das Leben der Menschen ein als politische Gremien das können. Man mag von der Wirtschaftswoche halten, was man will – ihr Werbeslogan „Nichts ist spannender als Wirtschaft“ trifft ins Schwarze.

Der Mehrwert der taz

Das gilt inzwischen auch immer mehr für die LeserInnen der taz. Ihrem berechtigten Interesse, ihr Geld nicht nur auf dem Sparbuch verschimmeln zu lassen, tragen wir mit der wöchentlichen Seite „reich & glücklich“ Rechnung. Wir zeigen, welche Möglichkeiten es gibt, wenn jemand sein Geld unter ökologisch-sozialen Kriterien für sich und andere arbeiten lassen will.

Die taz ist keine Wirtschaftszeitung, und wir sind nicht unfehlbar. Wer Informationen über alle Unternehmen oder die aktuellen Börsenkurse aus Hongkong sucht, wird anderswo besser bedient. Und in peinlichen Momenten bringt auch die taz mal Ozonloch und Treibhauseffekt durcheinander. Aber wer wissen will, wo die ökonomischen und ökologischen Sollbruchstellen in unserem kapitalistischen Way of Life sind, liest uns mit Gewinn. Der Mehrwert der taz ist nicht die schnelle Rendite. Wer die taz liest, mutet sich täglich das Nachdenken über die Fragen von morgen zu: Welche Wirtschaft entsteht aus dem Internet? Wohin führt die Ökonomisierung der ganzen Welt nach US-Vorbild? Was kommt nach dem Öl? Welchen Wert hat die Artenvielfalt? Wohin führt die Liasion von Computerentwicklung, Turbokapitalismus und Gentechnik?

Umweltthemen machen viele – aber nur, wenn gerade alle darüber schreiben. Wir verlieren die Öko-Themen nicht aus dem Blick, auch wenn sie in der Öffentlichkeit und immer öfter auch in der taz an den Rand gedrängt werden. Unsere Stärke liegt in der Analyse der oftmals wirtschaftlichen Gründe, die zu den Problemen führen. BSE ist eben keine Strafe Gottes, sondern ein Produkt der industriellen Landwirtschaft. Der Bankrott der Bahn liegt nicht nur am Versagen der Manager, sondern an einer Mobilität, die ohne Rücksicht auf Verluste organisiert ist. Und die nur kleinen Fortschritte der regenerativen Energien in Deutschland zeigen, wie stark die hiesige Atomwirtschaft immer noch ist.

Das Doppelressort

Alle diese Themen finden sich vielleicht auch in anderen Zeitungen. Aber nicht so laut, so hartnäckig und so nervend wie in der taz. Anderswo stehen die Fragen, die unsere Zukunft bestimmen, auf den Sonderseiten, wo die Fachredakteure sich einmal pro Woche austoben dürfen – und wo ihre Themen zwischen Verkehrsbeilage und Immobilienmarkt hoffnungslos untergehen.

Bei der taz ist das anders. Das Doppelressort Wirtschaft/Umwelt sorgt dafür, dass diese Zukunftsthemen nicht vom täglichen (Rinder-)Wahnsinn geschluckt werden. Hier landet das Weltklima in Form von heftigen Stürmen nicht auf der Seite „Vermischtes“ und die Abschaltung von Tschernobyl nicht unter „Unternehmenspolitik“. Bei uns stehen Skandale, wo sie hingehören – auf der Titelseite.