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Thank You For The Music

Nach 74 Jahren geht der „Melody Maker“ in die Popgeschichte ein. Die britische Sicht auf das Musikgeschäft hat im globalen Zeitalter keine Chance, und für Krautrock brechen schwere Zeiten an

von ARNO FRANK

Es war eine knappe Mitteilung in sachlicher Geschäftsprosa, mit der der britische Verlag IPC Ende vergangener Woche ankündigte, der Melody Maker werde künftig mit dem ebenfalls verlagseigenen New Musical Express „zusammengelegt“. „Zusammenlegungen“ bedeuten in dieser Branche, dass die eine Publikation verschwindet, die andere um ein paar Ressortseiten erweitert wird, um die „Marke“ nicht völlig aufzugeben. Und so wird, mit der Ausgabe von dieser Woche, das älteste Musikmagazin der Welt in die Geschichte eingehen – in die Popgeschichte, die das Blatt 74 Jahre lang maßgeblich mitgestaltet hat.

Gegründet wurde der Melody Maker in einer Zeit, als Musik noch keine Industrie war, sich aber offensichtlich gerade anschickte, eine zu werden. In den Zwanzigerjahren nämlich, als Tanzmusik ihren ersten Boom erlebte. In den Clubs, die damals noch nicht Clubs hießen, konkurrierten zahllose Jazzkapellen um Publikum – und fähige Mitstreiter. Was bisher mit Plakaten, Mundpropaganda und an „schwarzen Brettern“ verhandelt wurde, wurde mit dem Melody Maker in einer Publikation gebündelt, die Sprachrohr, Korrektiv und Tauschbörse zugleich sein wollte. Und weil zu jener Zeit auch Plattenfirmen wie EMI („His Master’s Voice“) anfingen, mit ihren knarzenden Tonträgern Geld zu verdienen, kamen auch bald deren Anzeigen und finanzierten das Blatt.

Diese Achse aus Musikindustrie und Musikpresse erwies sich als so tragfähig, dass heute kein Magazin mehr darauf verzichten kann. Wer es sich, wie etwa Spex, allzu beharrlich den Begehrlichkeiten der Anzeigenkunden verschließt, dem droht die Pleite. Und doch waren es gerade die Kleinanzeigen, die den Melody Maker für ganze Musikergenerationen zur Pflichtlektüre machten: Noch Blur, Oasis oder Suede kamen über Annoncen im Melody Maker zusammen.

Heute findet Öffentlichkeitsarbeit woanders statt: Wer einen Schlagzeuger sucht, schaut sich lieber in einschlägigen Chatrooms um, statt statische Bleiwüsten zu durchblättern. Und weil der technische Fortschritt die Produktionsmittel für Pop jedem Dilettanten in die Hände legt, ist verschwitztes Proberaum-Muckertum, wie es vom Melody Maker gepflegt wird, inzwischen obsolet.

In den acht Jahrzehnten des Melody Maker gab es aber noch ganz andere Schlachten zu schlagen. Seine Autoren machten sich verdient um die Gleichstellung von Schwarzen, von Frauen – und bescherten der genuin liberalen Subkultur eine breite Öffentlichkeit. Mit allen Mitteln: Um unbekannten Jazzern wie Duke Ellington oder Louis Armstrong Auftritte zu ermöglichen, sammelte der Melody Maker sogar Geld unter seiner Leserschaft.

In den Sechzigern schließlich erlebte mit dem Beat auch die Zeitschrift eine ungeahnte Blüte: Für einschlägige Nachrichten von der Insel war der Melody Maker fürderhin das dominierende Organ, in den Siebzigern erreichte er Auflagen von bis zu 250.000 Stück. Wenn ein solches Blatt einen Musikstil für sich entdeckt, kann schon mal Popgeschichte geschrieben werden: Krautrock etwa, in Deutschland entstanden und totgeschwiegen, bekam von einem jubelnden Melody Maker nicht nur den Namen, sondern auch weltweite Publizität spendiert.

Am Ende nun hat die Globalisierung, sowieso an allem Schuld, auch hier die Hände im Spiel: Eine dezidiert englische Perspektive aufs Popgeschehen, wie sie der Melody Maker zeit seines Bestehens pflegte, scheint heute nicht mehr angebracht.

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