: Wie der Geist scheißt ...
■ ... und wohin das schlimmste Schwein im Wilden Westen blickt, verrät das etwas andere Kinderlieder-Duo Zaches & Zinnober auf seiner neuen CD „Frech vom Blech“
Sagen wir es mal diplomatisch: Kleine Kinder sind schon irgendwie, und das nicht einmal in geringem Umfang, schlicht und einfach – doof. Wie anders ist sonst zu erklären, dass ein Klampfenquäler vom Schlage eines Rolf Zuckowski seit Jahren die Pole-Position in der Kassettensammlung eines statistischen Durchschnittskindes einnimmt, obwohl er diese Tonträger nachweislich besingt mit strafwürdigen Reimen à la „Nackidei, nackidei, keiner findet was dabei“? Die meisten Eltern finden zwar schon was dabei.
Aber da man als Erwachsener heutzutage ja Vorbild sein muss, verbietet sich die natürliche Reaktion, beim nächsten Zuckowski-Ton aus dem Kinderzimmer den doofen Kleinen tüchtig den Nackidei zu versohlen und die entsprechenden Kassetten vor ihren verheulten Augen systematisch zu Brei zu trampeln.
Was also tun, wenn man es ernst meint mit der demokratisch-gewaltfreien Kindererziehung und zugleich wenig Anlass zur Hoffnung besteht, dass Zuckowski aufgrund eines chronischen Kehlkopfkatarrhs schon bald in die ewigen Schweiggründe eingehen könnte?
Was den Kommunismus besiegt hat, wird wohl auch den Urheber von „Zebras streifen, Zebrastreifen“ in die Knie zwingen können – der freie Markt! Denn dort finden suchende Eltern auch Kindermusik, die sich nicht ständig an die süßen Kleinen ranschleimt und sich keinen Illusionen darüber hingibt, was gesungene Sätze wie „Im Bus, im Bad, im Bettchen / hör ich gern ein Kassettchen“ mit unschuldigen Kinderseelen anstellen können.
Für diese etwas andere Form der Kinderunterhaltung steht das Duo Zaches & Zinnober. Zwar schwant einem zunächst Böses, wenn man in den Biografien der beiden Musiker als Indiz für ihre große Kinderkunsttauglichkeit die Hinweise auf die eigene Vaterschaft und ein erfolgreich absolviertes Pädagogikstudium findet. Doch schon nach wenigen Takten der neuen CD „Frech vom Blech“ vergisst man diese für gute Kindermusik eher nebensächlichen Referenzen schnell. Und stattdessen macht sich Staunen darüber breit, dass Michael Zachcial und Ralf Siebenand auf die branchenüblichen Tritratrullala-Ohrenkneifer verzichten und sich auch keine Mühe geben, ihre großen Fähigkeiten als Instrumentalisten zu verstecken.
Derart gelingt es dem Duo aus Bremen und Osnabrück, vierzehn Lieder lang vom Folk bis Rock ziemlich professionell durch alle Musikstile zu surfen. In einigen kurzen Passagen schrecken sie nicht einmal davor zurück, (Free) Jazziges ins Kinderzimmer zu tragen oder gar halbminutenlang die Klappe zu halten, um ein Gitarren- oder Klaviersolo richtig zur Geltung kommen zu lassen.
Offenbar gehen Zaches & Zinnober nicht davon aus, dass Kinder danach gieren, ihre Öhrchen mit süßlichen Akkorden verkleben zu lassen. Und auch ihre Texte zeugen nicht davon, dass sie Kinderlieder politisch korrekt als gesungene Form der Verkehrserziehung im Schüttelreimdiktat begreifen.
Stattdessen finden sich Beschreibungen blutiger Speiserituale von Vampiren in Altersheimen. Der Song „Scheiß Geist“ klärt – nomen est omen – darüber auf, wie der Geist scheißt. Und „Dreck Jack“ schließlich erzählt die Geschichte von rassigen Sauen mit wunderbaren Schinken und wirklich miesen Schweinen, die in ihrer nächsten Umgebung so ziemlich alles kurz und klein hauen, was ihnen in den Weg kommt.
Kurzum: ein phantasievoller musikalischer Parforceritt, der sich über die schalen Konventionen der korrekten Kinderertüchtigung hinwegsetzt in der Überzeugung, dass die stetige Verbreitung guter Laune mittelfristig sicherlich bessere Menschen hervorbringt als jedes Nackidei-Geseiere sich jemals auf die Fahnen schreiben kann. zott
Die beiden Zaches & Zinnober CDs „Wie der Elefant den Rock'n'Roll erfand“ und „Frech vom Blech“ kann man beziehen über Michael Zachcial: Tel.: 70 57 66. Weitere Infos über das Duo sowie weitere anspruchsvolle KinderliedermacherInnen und deren Werke findet man auch im Internet: www.kinderlied.de
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