piwik no script img

Platt wie Zebrastreifen

■ Beim Handball-Bundesligisten THW Kiel sind die Akkus zum Jahresende leer gelaufen: Und trotzdem schlagen sie die bisherigen Tabellenführer aus Magdeburg mit 26:22

Nenad Perunicic sind die Spuren der vergangenen Wochen deutlich anzusehen. Ganz langsam und gesenkten Hauptes schlurft der Jugoslawe in Diensten des THW Kiel aus der Kabine. Er ist blass und humpelt. „Kopf hoch, Nenad“, muntert ihn ein Fan auf. Und dann geschiehts: Nur für einen klitzekleinen Augenblick huscht ein Siegerlächeln über Perunicic' Gesicht. Ein kurzer Anflug der Freude über das 26:22 (12:11) der Zebras im Spitzenspiel gegen den SC Magdeburg. Das wars. „Ich bin einfach zu kaputt“, murmelt der Handball-Hüne leise.

Perunicic ist nicht der Einzige, der sich so fühlt. Bei den Kielern laufen zum Abschluss dieses Jahres die Akkus bestenfalls noch auf Reserve. Seinen Mitspielern gehts auch nicht besser. Magnus Wislander (Bandscheibe), Staffan Olsson (Rippe und Brustwirbel) und Mike Bezdicek (Sprunggelenk) – alle sind sie verletzt, ausgelaugt und müssen dennoch spielen.

Da mutet es fast wie ein Wunder an, dass es den Zebras gelang, den bisherigen Spitzenreiter aus dem fernen Osten förmlich niederzuringen. „Ich hatte das von meinen Mannen gar nicht erwartet“, räumte der Kieler Trainer Zvonimir Serdarusic deutlich ein. Vor allem in der ersten Hälfte sah es lange so aus, als müsse der THW einen Rückschlag verkraften. Die Kieler taten sich schwer, kassierten vor der Pause fünf Zeitstrafen. Olsson und Bedzicek mussten je zweimal auf die Bank. Nur dank des famosen Nikolaj Jacobsen – er warf 12 Tore – retteten die Recken aus dem Norden einen 12:11-Vorsprung in die Pause.

Nach dem Wechsel ein komplett anderes Bild. Kiel aggressiv in der Abwehr, Magdeburg mit vielen Fehlern in der Offensive. Als Nicolaj Jacobsen (wer sonst?) den THW in der 52. Minute mit 22:19 in Führung warf, war die Partie endgültig gelaufen, der Rest Routine. „So ein Spiel hatte ich befürchtet. Vor allem unser Rückraum hat mich enttäuscht“, grämte sich Magdeburgs Coach Alfred Gislason nach Ende der Partie.

Derweil wittert Kiels Manager Uwe Schwenker wieder Morgenluft im Kampf um die Meisterschaft. „Fakt ist: Wir spielen nicht schlecht und liegen nach Minuspunkten nur drei Zähler hinter dem Tabellenführer.“ Recht hat er. So richtig auszunutzen vermochte die Kieler Schwächephase in der Hinrunde bisher kein Konkurrent. Dauerrivale SG Flensburg–Handewitt nicht, der aufstrebende SC Magdeburg schon gar nicht. Irgendwie, so hat es den Anschein, macht es der THW in dieser Spielzeit so wie das große Vorbild Bayern München beim Fußball: Wenig berauschend spielen und dennoch den Anschluss halten – wie in der Bundesliga, so in der Champions League.

Unterdessen stapelt Zvonimir Serdarusic mit Wonne weiter tief. „Kiel ist im Keller. Wir haben noch viele schwere Auswärtsspiele“, verlautbarte der Übungsleiter mit sauertöpfischer Miene. Vor allem eines wurmt den Coach: Intimfeind Flensburg darf jetzt dank des Kieler Sieges als Tabellenführer Weihnachten feiern. „Nein“, brummt Serdarusic, „das haben wir nicht gewollt. Für Flensburg haben wir nie Geschenke parat. Auch nicht zu Weihnachten.“

Honke Peters/Peter Strempel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen