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Software gegen Leseschwäche

US-Forscher entwickeln ein Computerprogramm, das erfolgreich bei Kindern mit Leseschwäche eingesetzt wird. Mit dem Trainingsprogramm wird die Verarbeitung schneller akustischer und visueller Reize im Gehirn der Kinder gefördert

Millionen Kinder in der ganzen Welt haben Schwierigkeiten beim Lesenlernen – in Deutschland sind es etwa zehn Prozent. So früh wie möglich gegen die Leseschwäche trainieren – dies sollte die Devise sein. Das Computerprogramm der Neuropsychologin Paula Tallal, von der Rutgers University New Jersey, USA, kann möglicherweise helfen.

Seit über zwei Jahrzehnten beschäftigt sich Paula Tallal mit Kindern, die zwar normal intelligent, jedoch sprachlich zurückgeblieben sind. Legastheniker haben keine Schwierigkeiten, die Bedeutung von Worten zu erfassen. Auch allgemeine Wahrnehmungsleistungen sind unauffällig. Daher glaubten die Wissenschaftler lange, dass eine Störung in einem der Sprachzentren der Großhirnrinde die Legasthenie verursachen würde.

Doch Paula Tallal fand heraus, dass die Entwicklung einer normalen Lesefähigkeit auf einfacheren, nichtsprachlichen Wahrnehmungsleistungen beruht. Kindern, die Schwierigkeiten haben, hörbare Töne mit geschriebenen Wörtern in Verbindung zu bringen, fällt das Lesenlernen schwer.

Zum Beispiel können leseschwache Kinder häufig nicht zwischen einfachen Silben wie „da“ oder „ka“ unterscheiden. Beim d und k erfolgt der Übergang zum a extrem schnell, sodass er von manchen Kindern nicht wahrgenommen wird. Die Störung im akustischen Sinneskanal hat dazu geführt, dass zu wenige für die Sprachentwicklung wichtige Lautreize aus der Umwelt auch das Gehirn erreichten. So haben sich die dortigen Nervenzellen nur unzureichend zu Einheiten verbunden, die bestimmten Lauten zugeordnet sind. Die verringerte Fähigkeit, die raschen Schwankungen der Tonhöhe zu identifizieren, geht mit Schwierigkeiten beim Aussprechen mancher Wörter einher.

Auch Wahrnehmungsleistungen im Bereich der Sehbahn können bei Legasthenikern beeinträchtigt sein – dies stellte der britische Physiologe Joel Talcott aus Oxford fest. Bei seinen Untersuchungen konnten Legastheniker schlechter erkennen, wann Punkte, die sich auf einem Bildschirm schnell bewegten, die Richtung wechselten. Je mehr Schwierigkeiten es bei diesem Test gab, desto stärker war auch die Leseschwäche. Dabei besteht ein Zusammenhang mit Defiziten bei akustischen Sinnesleistungen.

So haben Kinder, die beim Talcott-Test schlecht abschneiden, Schwierigkeiten, zwischen richtig und falsch buchstabierten Wörtern zu unterscheiden. Je deutlicher dieses doppelte Defizit ausgeprägt ist, desto schwerer scheint die Leseschwäche zu sein.

Gemeinsam mit Michael Merzenich von der University of California in San Francisco entwarf Paula Tallal ein ausgeklügeltes Trainingsprogramm, das die Verarbeitung schneller akustischer und visueller Reize im Gehirn fördert. Die beiden Wissenschaftler entwickelten „Fast for Word“ – eine Art Computerspiel, das schnelle Konsonanten in Texten dehnt und sie überdeutlich ertönen lässt. Inzwischen haben 25.000 amerikanische Kinder mit dem Programm fleißig geübt – an fünf Tagen in der Woche 100 Minuten täglich. „Nach sechs bis acht Wochen“, berichtet Tallal, „haben 90 Prozent der Kinder im Lesen einen Entwicklungssprung von zwei Jahren gemacht.“ CLAUDIA BORCHARD-TUCH

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