: „Die Wüstenbildung sehen sie nicht“
Klaus Töpfer, Leiter der UN-Umweltbehörde, fordert mehr Engagement der Industrieländer gegen die Desertifikation
taz: Die Wüstenkonferenz hat einige Erfolge nachzuweisen. Trotzdem steht sie nach wie vor im Schatten der Klimakonferenz. Woran liegt es?
Klaus Töpfer: Die Wüstenbildung wird von vielen Industriestaaten noch als das Problem anderer angesehen. Was ich mir wünsche, ist mehr Engagement – und eben nicht nur von Ministern aus afrikanischen Staaten, sondern auch von denen aus Europa, aus den Industriestaaten der entwickelten Welt, damit sie sich ganz persönlich mit den Argumenten ihrer Kollegen auseinander setzen. Klimaveränderungen verursachen Hurrikane, Stürme und Überflutungen. Die Menschen sehen täglich Bilder von diesen Naturkatastrophen – die Wüstenbildung sehen sie nicht.
Was muss besser gemacht werden?
Wir müssen die einzelnen Umweltkonventionen und Protokolle enger miteinander verzahnen. Je besser wir verzahnen, umso besser können wir auch den Steuerzahlern in Deutschland erklären, dass Umweltausgaben Überlebensinvestitionen sind.
Reicht denn das Geld, das zur Verfügung steht?
Nein, wir werden zusätzliche Finanzmittel brauchen. Der Globale Umwelt Fonds (GEF) muss reaktiviert werden. Hier sollten eigentlich 3,5 Milliarden US-Dollar zu Verfügung stehen. Aber der Topf ist fast leer. Wir müssen ihn wieder auffüllen und mindestens 1 Milliarde Mark drauflegen, weil Wüstenbildungen nicht irgendwann passiert, sondern heute und morgen.
Die Europäische Union steckt lieber Milliarden von Euro in die Länder des ehemaligen Ostblocks als in Aufforstungsprojekte der Mongolei.
Wir brauchen die EU-Erweiterung, aber wir dürfen sie nicht als Alibi missbrauchen und den Menschen das Signal geben, wir seien nur noch auf unsere Probleme ausgerichtet. Globalisierung darf nicht um den Preis einer Renationalisierung erkauft werden, sei sie auch regional ausgeprägt. Wir sollten nicht erst nach der Osterweiterung zur Solidarität zurückkehren.
Die Klimakonferenz in Den Haag ist gescheitert, das Folgetreffen haben die USA abgesagt. Die Entwicklungsländer tragen die Last der amerikanischen Verweigerungshaltung.
Man muss immer sehen, Klimagefährdung betrifft alle in der Welt. Die Entwicklungsländer müssen den Prozess der sauberen Entwicklung mitmachen. Sie dürfen die Fehler der Industrieländer nicht wiederholen. Darin müssen wir sie stärken. Etwa in der Anwendung kohlenstofffreier Energien. Dafür muss Geld bereitstehen. Es kann nicht sein, dass viel Manpower in die Erforschung der Kernenergie gesteckt wurde und bei den erneuerbaren Energien nicht. Es fehlt eine internationale Organisation für erneuerbare Energie.
INTERVIEW: MEIKE BÖSCHEMEYER
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