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Produktiv alt sein

■ Jahrhundert der Senioren: Freizeitforscher Opaschowski sieht „Blütezeit des Lebens“ um eine Generation verlängert

Mit dem Jahreswechsel sieht der Hamburger Gesellschaftsforscher Horst W. Opaschowski das „Jahrhundert der Senioren“ kommen. „Medizinische Fortschritte und ein verändertes Gesundheitsbewusstsein, mehr Bildung und ein höherer Lebensstandard sorgen in der westlichen Welt dafür, dass die Menschen mindestens ein Drittel ihres Lebens als Ältere verbringen“, sagte Opaschowski. Für die älteren Generationen müsse ein „produktives Leitbild“ geschaffen werden, das Aktivität und gesellschaftlichem Engagement einen hohen Stellenwert einräumt.

Für den Freizeitforscher ist die offizielle Altersgrenze von 65 Jahren längst überholt: „Alt ist man erst mit 75,8 Jahren.“ Das habe eine Befragung des Freizeitforschungsinstituts der British American To-bacco unter 2000 Menschen ergeben. Lediglich für die 14 bis 17- Jährigen sei man nach wie vor mit 65 Jahren „alt“. Danach ändere sich die Einstellung, so dass die über 24-Jährigen für eine flexible Altersgrenze zwischen 75 und 78 Jahren votierten. In den vergangenen hundert Jahren habe sich die Zahl der über 60-Jährigen in Deutschland auf 18 Millionen vervierfacht.

„Wir müssen uns von der klassischen Dreiteilung – Ausbildung, Beruf, Ruhestand – verabschieden“, sagte Opaschowski. „Es entstehen neue Generationen, an die keiner gedacht hat.“ Die Lebensphase nach dem traditionellen Eintritt in den Ruhestand könne bis zu 30 Jahre und mehr betragen. Der Sozialforscher verwies darauf, dass die Menschen de facto zwar älter werden, sich aber subjektiv jünger fühlen. Die „jungen Alten“ hielten an Konsum- und Lebensgewohnheiten der Lebensmitte fest. „Die Blütezeit des Lebens wird einfach um eine Generation verlängert.“

Der Bewusstseinswandel ist nach Einschätzung des Sozialwissenschaftlers in großen Teilen der Politik und Wirtschaft noch nicht angekommen. „50plus-Arbeitnehmer werden nach wie vor künstlich alt gemacht oder gelten als kaum vermittelbar.“ Dabei würden sie beispielsweise für Mentoren- oder Patenschaftsaufgaben zur Unterstützung junger Existenzgründer dringend gebraucht. lno

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