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Jugend lötet

Brandlöcher, Rotweinflecken und weißes Pulver: Die Trashmonkeys kommen als überaus stilsichere Revivalband des Garagenrock aus den Sixties daher – fette Farfisaorgeln und Gitarrenkrach inklusive

von THOMAS WINKLER

Das waren Zeiten, als man noch gerne Eintritt zahlte, um Crampssänger Lux Interior dabei zuzusehen, wie er sich billigen Rotwein in die Unterhose goss. Das Leder war eng und der Rhythmus schleppend, die Nächte lang und die Drogen noch nicht aus dem Chemiebaukasten; die Gitarren waren verzerrt und, mein Gott, es waren die späten Achtziger und wir reden hier halt von Rock ’n’ Roll.

Das waren noch Zeiten, aber sie sind vorbei, und viele von denen, die damals mit dabei waren, haben sogar mit dem Rauchen aufgehört. Aber wie immer gibt es Menschen, die das nicht wahr haben wollen. Diese hier haben sich Trashmonkeys genannt und halten sich tapfer an ihren Kippen fest und an etwas, was man schon damals eigentlich nicht Ideale hat nennen können. Schließlich ging es vorzugsweise darum, sich möglichst elegant aus dem Diesseits zu befördern, zuvor aber noch in jeder Bar der Region mindestens eine Nacht durchgemacht zu haben. Fitnessstudios, rechtsdrehender Joghurt, Altersvorsorge und Karriereplanung waren entweder unbekannt oder verpönt, und weiße Pülverchen dienten nicht zur Leistungssteigerung, sondern allein zur Maximierung des zweifelhaften Spaßvergnügens.

In diesem Geiste haben sich die Trashmonkeys 1996 in Bremen zusammengetan, den Vox-Gitarrenverstärker wieder zusammengelötet, die olle Orgel abgestaubt und das Fuzzpedal aus dem Pfandhaus geholt. Noch ein paar Sonicsplatten beim Second-Hand-Dealer besorgt und Dead Moon noch mal angeguckt, bevor die wegsterben. Dann konnte gar nichts mehr schief gehen: Ein paar Monate später spielten die Trashmonkeys schon im Vorprogramm der ehrwürdigen Cramps.

Die Eckpfeiler, die puristische Rekonstruktion der Garagenklassik aus den 60er-Jahren und die Trashidee aus den 80ern werden auf dem offiziellen Bandfoto dokumentiert: Dort präsentiert sich das Quartett wahlweise in Rüschenhemd, Plateausohlen und mit dünnem, weil zu Tode schwarz gefärbtem Langhaar oder geschäftsmäßig in feinem Zwirn und korrektem Topfschnitt. Wie aber der Old-School-Trainingsanzug von Adidas mit aufs Bild gekommen ist, bleibt schleierhaft, denn HipHop sucht man vergeblich bei ihnen.

Stattdessen findet man: richtig gutes altmodisches Songwriting mit Strophe und Refrain, ein paar unverschämt eingängige Melodien und absolut kein psychedelisches Gewaber. Manchmal laden sie auch ein paar Bläser ein und erinnern plötzlich an die Penny-Lane-Beatles. Oder sie legen so hektisch vorwärtsstolpernd los, als wären sie The Jam.

Trotzdem: Auch musikalisch ist die böse Moderne schon bis zu unseren widerständigen Helden durchgedrungen. Für ihren Instrumentalorgelhit „Clubtown“ ließen sie sich einen Remix mit schicken Elektrobeats und flottem Frauengesang fertigen.

Fazit also: Selbst Garagenbands sind nicht mehr das, was sie mal waren. Denn was waren das doch für Zeiten. Allein was wir an Zigaretten weggequalmt haben damals. Und billigen Rotwein getrunken.

Heute, 22 Uhr, im Roten Salon, Volksbühne am Rosa-Luxenburg-Platz, Mitte

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