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vier aus der zwischenzeitDie Gäste lachten, obwohl sie das schon gewusst hatten

Raus aus Berlin

Im Frühstücken mit Teenagern sind viele Menschen aus der Übung. Die 15-jährigen Nichten schweigen oft lange und unangreifbar souverän. Die Schüchternheit der erwachsenen Verwandtschaft macht es natürlich nicht besser. Alles ist still oder peinlich. Doch irgendwann erzählt diese Nichte doch noch von ihrem famosen Fußballverein und die anderen sind froh. In der norddeutschen Wohnsiedlung, in der ich über die Feiertage zu Besuch bin, ist vieles ungewohnt. Die Häuser der Kleinstadt sind aus Backstein. Die Einwohner sagen „Rostebrot“ statt Toastbrot. Karotten heißen „Wurzeln“. Und im Bücherregal steht eine Videocassette mit „60 Minuten SPD“.

Nachmittags gehen wir durch die Siedlung spazieren. Früher wurden Raucher hier von kleinen Jungs mit „Willst du sterben?“ angesprochen. Inzwischen sind die Kinder dieser 70er-Jahre-Bauten aus dem Haus. Die Eltern schneiden Hecken und hängen Getöpfertes ins Fenster. Gerne möchte man sich, so hat man das dringende Gefühl, fehlverhalten.

Die Natur hier erntet mehr Begeisterung. In den Schilfwiesen rennen Hunde umher. Die Flusslandschaften sind schön, auch wenn sie kurzzeitig Peter-Handke-Assoziationen auslösen. Bei der Ansammlung neuer Einfamilienhäuser weiter hinten denkt man dagegen eher an Bewohner, die Silvester mit Nachbarn und Partnertausch feiern. Gut, dass die eigene Wohnung steht, wo sie steht.

Aber der billige Zug nach Berlin fahrt erst eine Stunde später los. Und weil wir uns schon von allen verabschiedet haben, laufen wir ein bisschen lustig heimatlos durch die Bahnhofsumgebung. Zusammen mit den armen Jugendlichen des Ortes, denen man indes gerne eine brennende Mülltonne schenken würde, weil sie so traurig aussehen. Denn das Lokal der Andersdenkenden hat zugemacht. Nur ein von Joseph Gobbels eingeweihter Berg ist noch da. Und das Selbstbedienungsrestaurant der Kaufhalle. Es trägt den schnörkellosen Namen „Hier isst man was“, und an seiner Kasse sitzt eine wirklich sexy Realschulschönheit.

Berlin ist größer und hat selbstredendmehr Angebote für die Jugend. Hier ankommen ist alles wie immer: kalt und prima. Weihnachten ist Jahre her. Ausgelassene Gruppen hängen auf den Straßen herum und schmeißen mit Feuer. Ein Erwachsener in einem schwarzen Katzenkostüm läuft vorbei und macht ein böses Gesicht. An die Superlative des Jahres erinnert das Lokalfernsehen mit Sondersendungen. Die eigene Bilanz fällt anders aus. Vieles habe ich schon vergessen. Gut war aber ein Gaststättenbesuch Anfang Dezember, bei dem ein Mann mit Ohrenschützern sang: „Hier ist nicht der Bahnhof Zoo. Hier ist nicht der Bahnhof Zoo. Hier ist das Kaffee Burger.“ Die Gäste lachten, obwohl jeder das schon gewusst hatte.

KIRSTEN KÜPPERS

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