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Vier schnieke Jungs, knapp und elegant

Bazooka Cain spielt genau diesen leichten, sommerlich-jazzigen Beat, aus der Zeit, als es noch das Bläserarrangement für den leichten Popsong gab

von JENNI ZYLKA

Damals, als Herren in schnieken Anzügen noch Damen mit teekannenwärmerhohen Beehives auf glänzenden Absätzen beschwingt durch die Gegend schleuderten, damals gab es noch das Bläserarrangement im leichten Popsong. Und ein leichter Popsong war kein Deppentechno wie heute. Ein leichter Popsong perlte einem den Gaumen herunter wie eine ganz, ganz raffinierte Götterspeise: arrangiert als orchestrales Werk, mit ebenjenen Bläsern, Swingjazz-Beat, Chansongesang mit Texten, die so knapp an der banalen Schlagerschnulze vorbeischlittern, dass man bewundernd applaudieren möchte.

Das haben sie nämlich drauf, die Chansonniers dieser Welt, ob sie nun Gilbert Becaud oder Marcel Vega heißen. Den ersten kennt jeder, den zweiten kaum einer. Denn Bazooka Cain, die Band Vegas, spielt zwar schon seit elf Jahren genau diesen leichten, sommerlich-jazzigen Beat mit deutschen, französischen und spanischen Texten (und durch die Aussprache des Sängers Vega einem nicht zu unterschätzenden „früher Peter Kraus“-Appeal). Sie haben vor zwei Jahren auch mal eine Platte herausgebracht, die allerdings, als ob es nicht reichen würde, auf ungewöhnlichem und unmodernem Vinyl zu veröffentlichen, auch noch das merkwürdige 10-Zoll-Format hat: Jetzt ist „Viele Grüße“ so eine Platte, die im Regal ständig zwischen den Großen verschwindet.

Vielleicht ist die Band darum das, was man guten Gewissens einen Geheimtipp nennen darf. Aber eigentlich, und um ehrlich zu sein, kann man die Platte nur goutieren (in diesem Zusammenhang sind so viele Franzismen angebracht, wie es möglich ist), wenn man die vier schnieken Jungs auch mal live gesehen hat. Wenn man gesehen hat, wie knapp und elegant sie wirklich an den Schnulzen vorbeischlittern, wie musikalisch-schlau ausgedacht die Wendungen und Irrungen ihrer Songs sind. Auch wenn man bei den Live-Konzerten auf die besonders schönen Sperenzchen der Platte (etwa Orgel und Bläsermelodien) verzichten muss. Auf den charmanten Akzent, akkurat sitzende Anzüge, Texte, die von den Dramen mit den Damen handeln, wie es sich für Pop gehört, und den authentischen gepflegten Beat-Chanson-Flair (um noch ein sinnloses französisches Wort zu benutzen) muss man live nicht verzichten.

Es ist, als ob vier Gentlemen sich entschließen, einen Nachmittag musikalisch so zu gestalten, dass keiner gehen möchte. Das heißt im Negativen, dass auch Mutti bleibt. Aber im Positiven heißt es, dass Töchter und Söhne jedenfalls von der Straße weg sind. Und hat durch den Anachronismus einer solchen Art Musik interessanterweise trotzdem einen ganz leichten Halbstarkeneffekt. Ein gepflegter halbstarker, männlicher oder weiblicher Beatnik mit Manne-Krug-Platten zu Hause, so könnte man sich einen Bazooka-Cain-Fan eventuell malen. Oder auch ohne die Manne-Krug-Platten, wer möchte.

Heute abend ab 21 Uhr im „Maria am Ostbahnhof“, Straße der Pariser Kommune 8–11, Friedrichshain

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