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Zwischen DDR-Moderne und Westalgie

Für die einen war Mittes Baustadtrat Thomas Flierl (PDS) ein Verhinderer, für andere einer, der ohne Not linke Positionen preisgab. Heute tritt der Seiteneinsteiger nach zweieinhalb Jahren Amtszeit den letzten Arbeitstag an

Gewiss ist nur eins: Dieses Amt war ein besonderes, ist ein besonderes und wird ein besonderes sein. Und Thomas Flierl, dem Kulturpolitiker und Quereinsteiger, wurde im Amt des Baustadtrats von Mitte sogar noch besondere Aufmerksamkeit zuteil. Galten seine Vorgängerinnen Dorothee Dubrau (Grüne) und Karin Baumert (PDS) entweder als zu unauffällig oder zu starrköpfig, wurde Flierl, der sich selbst als Gestalter sieht, ein anderes Image verpasst. Es lautete: „der Verhinderer“.

Wenn der PDS-Politiker heute seinen letzten Arbeitstag im Rathaus Mitte an der Karl-Marx-Allee antritt, will er allerdings noch einmal beweisen, dass er mehr kann, als Markisen am Adlon zu verbieten, die Werbung an der Marienkirche oder kommerzielle Feiern am Brandenburger Tor. Will deutlich machen, dass er die verschiedenen Bereiche, in denen in Mitte ein Baustadtrat tätig werden kann, in den zwei Jahren seiner Amtszeit zusammengeführt hat, räumlich von den Linden bis zum Arkonaplatz und politisch von der Altbausanierung bis zur Entscheidung um den neuen Standort für das Reiterstandbilds Friedrichs des Großen. Flierl nennt das dann: „den Stellenwert der Bürgerbeteiligung stärken und zugleich die politische Debatte um die Deutungsmacht der Innenstadt nicht aufgeben“.

Genau Letzteres getan zu haben werfen ihm aber seine linken Kritiker vor. Für sie ist Thomas Flierl kein Gestalter oder Verhinderer, sondern einer, der ohne Not Positionen preisgibt, oder, wie beim Fall des Ahornblatts, ein symbolträchtiges Gebäude der DDR-Moderne. Der Architekturkritiker Wolfgang Kil zum Beispiel, der lange Zeit im Beirat für Stadtentwicklung in Mitte saß, hat das Gremium wegen des Abrisses des Ahornblatts verlassen und Flierl zum Rücktritt aufgefordert.

Flierl selbst hat es dagegen immer verstanden, sich jenen Stimmen zu entziehen, die das Amt des Baustadtrats als Instititution verstanden wissen wollten, aus der heraus die Opposition gegen die Privatisierung der Stadt durch das Planwerk Innenstadt oder die Implementierung neuer, städtebaulicher Bilder durch die Westnostalgiker zu unterstützen sei. Nicht Polarisierung war der Ansatz, mit dem er 1998 angetreten war, sondern Gesprächsbereitschaft – nach allen Seiten.

Und so fällt seine persönliche Bilanz auch positiv aus. Bevor er wieder in seinen Job als Kulturpolitiker in Prenzlauer Berg zurückkehrt und nebenbei das neue Wahlprogramm der Bundes-PDS mit erarbeitet, weist Flierl nicht ohne Stolz darauf hin, die Mietobergrenzen in Mitte oder eine Milieuschutzverordnung für das Viertel hinter dem Reichstag eingeführt zu haben. Allesamt also unspektakuläre Schritte, die seine Vorgängerinnen versäumt hatten.

Gedankt hat es ihm am Ende keiner. Nicht seine Kritiker von links noch die Nörgler von der neuen Mitte, die die Innenstadt am liebsten in ein Urban Entertainment Center verwandeln wollten. Ihnen gegenüber hat Flierl nämlich jenen öffentlichen Raum gegen Werbeplakate, Markisen und Schlittschuhläufer verteidigt, den er anderswo – im Ringen um städtebauliche Kompromisse – opfern musste.

Und noch eines ist gewiss: Mit Flierl verlässt, wie schon im Falle seiner Vorgängerin, eine umstrittene Person das Amt des Baustadtrats in Mitte. Von Dorothee Dubrau, die ab 1. Januar zum zweiten Mal ins Rathaus Mitte zieht, wird man dieses Fazit einmal nicht ziehen können.

UWE RADA

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