piwik no script img

„Um zwölf werden sie alle umfallen“

Ein Wahrheit-Interview mit dem Katastrophenforscher Professor Helmuth Kratzert über den Weltuntergang 2001

Zum Jahreswechsel 1999/2000 rechnete alle Welt mit der großen Katastrophe: Der durch einen gigantischen Virus ausgelöste so genannte Y 2 K sollte sämtliche Computersysteme rund um die Erde abstürzen lassen: Flugzeuge würden vom Himmel fallen, Großstädte in Dunkelheit versinken, behaupteten die Propheten des Untergangs. Doch nichts geschah – bis heute. Die Katastrophe aber ist nur aufgeschoben – bis zum Silvestertag 2000, dem eigentlichen Jahrtausendwechsel. Das jedenfalls behauptet der Hamburger Katastrophenforscher Professor Helmuth Kratzert, mit dem die Wahrheit am Vorabend des von ihm prognostizierten Weltenendes sprach.

taz: Professor Kratzert, haben Sie schon genügend Lebensmittel und Wasser für die kommenden Tage gebunkert?

Helmuth Kratzert: Wieso? Wir haben doch zu Hause immer alles, was wir brauchen.

Sie leben also immer mit der Gewissheit, jeden Moment bricht die Katastrophe aus?

Katastrophen gehören zur Menschheit seit Anbeginn. Nehmen Sie die Sintflut oder ...

Sie glauben also, uns steht eine neue Sintflut bevor?

Ich glaube es nicht, ich weiß es! Sehen Sie, es war alles richtig, was im letzten Jahr prognostiziert wurde: Ein Virus wird alle Computer auf der Welt vernichten. Nur kommt das Ganze ein Jahr später. Und die Menschen sind nicht darauf vorbereitet.

Sie sagen, ein Virus wird alle Computersysteme vernichten. Zum Jahrtausendwechsel wird er alles abstürzen lassen. Wie heißt denn dieser Virus?

„Somnia“.

„Somnia“?

Ja, genau: „Somnia“.

„Somnia“ bedeutet Schlaf. Das ist ein ungewöhnlicher Name. Woher wissen Sie das?

Das beruht alles auf exakten mathematischen Berechnungen.

Woher kommt „Somnia“?

Aus allen möglichen Richtungen.

Und wie wirkt er sich aus?

Verheerend!

Was heißt verheerend?

Ja, eben verheerend ...

Können Sie nicht ... vielleicht ein bisschen genauer ...

Um zwölf fallen alle um.

Wer fällt um?

Alle. Einfach alle.

Computer?

Die auch.

Und wer noch?

Wir.

Wir Menschen?

Die Tiere auch.

Die Tiere auch? Ach, hören Sie doch auf.

Alles hört auf.

Professor Kratzert, können Sie denn nicht mal erläutern, wie der Virus vorgehen wird?

Er erwischt alle.

Ach, kommen Sie! Sie haben doch eben von mathematischen Berechnungen gesprochen. Was ist denn mit denen?

Es ist alles hier drin.

Wo drin?

Na, in meinem Kopf.

Ist das alles, was da drin ist?

Natürlich nicht.

Also was ...?

Also, als ich damals in Heidelberg studierte, wissen Sie, was mir da passiert ist?

Nein, das wollen wir jetzt auch gar nicht wissen. Sagen Sie lieber etwas über die drohende Jahrtausendkatastrophe.

Ja, die kommt.

Wann?

Um zwölf.

Sie meinen an Silvester?

Genau wie damals in Heidelberg, als meine Frau ...

Professor Kratzert!

Das sagt meine Frau auch immer.

Was sagt ihre Frau immer?

Professor Kratzert!

Aber was hat das jetzt mit dem Virus zu tun?

Der Name ist „Somnia“.

Professor Somnia ... äh, Kratzert, was ist mit dem Virus?

Genau wie meine Frau.

Ihre Frau ist der Virus?

Wissen Sie, meine Frau hat es auch nicht leicht.

Was, zur Hölle, kann denn ihre Frau für den Virus?

Das will ich Ihnen ja die ganze Zeit erklären.

Nur zu ...

Damals in Heidelberg wollten wir nach Las Vegas fliegen.

Las Vegas?

Genau. Und meine Frau dachte, wir könnten im Flugzeug schlafen. Während des Flugs.

Ja, und ...?

Ja, nichts und!

Wie? Nichts und ...?

Eine Katastrophe, das kann ich Ihnen sagen.

Was, Herr Professor Kratzert, hat denn das mit dem Weltuntergang an Silvester zu tun?

Der kommt.

Aahhhrrrg ...

Um zwölf fallen alle um.

Das haben Sie mathematisch exakt berechnet?

Genau.

Ähm ...

Ich weiß, dass es so ist!

Äh ...

Um Punkt zwölf.

Professor Kratzert, wir danken Ihnen für das Gespräch.

INTERVIEW: MICHAEL RINGEL

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen