Mach den Abwasch und höre!

Zwischen Wittgenstein und Pollesch: Die NDR-Hörspiele des nächsten Halbjahres  ■ Von Christiane Müller-Lobeck

Tatsächlich, das Hörspiel ist nicht tot. Statt dessen vermelden immer häufiger Leute aus meinem Freundeskreis, sie hätten da „ges-tern was ganz Tolles im Radio gehört“, ein Feature im Deutschlandradio etwa oder eben ein Hörspiel. Trotzdem haftet diesem einsamen Zuhören einer Sendung, die mindestens eine Stunde dauert, wenn nicht zwei, etwas Verschrobenes an. Es leuchtet aber andererseits auch ein, dass – eher als beim Bücherlesen oder Fernsehen – nebenbei Großes erledigt werden kann, wie etwa Abspülen, Wäschemachen, Fensterputzen.

Der Norddeutsche Rundfunk präsentierte kürzlich seine Hörspielvorhaben für das kommende halbe Jahr. Sie sind erstmalig gänzlich unter der Leitung von Andreas Wang entstanden, der zwar vor einem halben Jahr sein Amt antrat, auf die zuvor geplanten Sendungen dieser Zeit aber wenig Einfluss nehmen konnte. Der große Veränderer ist er nicht. Mit 13 eigenen Produktionen, die im nächsten halben Jahr ihre Ursendung erleben werden, dürften aber dennoch einige Akzente gesetzt werden.

Keinen festen Sendeplatz hat – trotz ihrer Beliebtheit im letzten halben Jahr – die Reihe „Generation§“ bekommen. Sie wird aber unregelmäßig fortgesetzt mit einer Radiofassung von Kathrin Rögglas Selbstläufer und mit den durch Thomas Ostermeier umgesetzten Disco Pigs von Enda Walsh. Außerdem ist von René Pollesch, der zuletzt im Schauspielhaus world wide web-slums inszenierte, eines seiner älteren Stücke zu hören: Heidi Hoh arbeitet hier nicht mehr liefert ein mechanisches Wortbombardement über Arbeitsformen im Dotcom-Zeitalter.

Drei neue Reihen mit festen Sendeterminen bestimmen bis Juni 2001 die Programmstruktur. Sieben Sendungen werden jeweils an einem Mittwoch „MachtSzenarien“ beleuchten. Den Auftakt zur Reihe gibt eine Hörspielumsetzung von António Lobo Antunes' Das Handbuch der Inquisitoren, in dem der portugiesische Autor Macht als ein Netzwerk skizziert, an dem auch die vermeintlich Unterdrückten ihren Anteil haben. Hörspielfassungen der Texte von Joseph Brodsky, Klaus Mann und Leopold von Sacher-Masoch setzen in den Folgemonaten die Reihe fort. Mit Der Horatier und Roman Dogs hat Heiner Goebbels nach Vorlagen von Titus Livius, Pierre Corneille, William Faulkner und Heiner Müller seine Auseinandersetzung mit dem Thema Macht in eine Collage umgesetzt, zwischen Opernrezitativ und Rap.

Unter dem Titel „Tischgespräche“ versammelt der NDR Hörspiele, die das Miteinander und die Konflikte von Leuten entlang von Gesprächen bei Tisch auffächern. Unter anderem wurde für diese Reihe das Stück Cigla des kroatischen Autors Filip Sovagovic produziert, in dem die unterschiedlichen Positionen von vier Brüdern zum kroatisch-serbisch-bosnischen Krieg aufeinander prallen.

Endlich auch im Norden wird – in der Reihe „Wir Nomaden“ – eine Compilation von sechs Episoden aus Jack Kerouacs On the Road zu hören sein. Der Bayrische Rundfunk hat sie 1998 durch Thomas Gary, Susanne Brokesch, Hans Platzgumer, Mike Ink, Patrick Pulsinger und Erdem Tunakan umsetzen lassen, mit den Stimmen von Smudo, Schorsch Kamerun, Kris-tof Schreuf, Christiane Rösinger und Rebecca Giese. Mit Der einäugige Karpfen des Literaturnobelpreisträgers Kenzaburo Oe steuert der NDR auch eine Eigenproduktion zur Reihe bei, die Formen und Motive des Unterwegsseins beleuchten soll.

Die Hörspielbroschüre mit dem kompletten Programm ist gegen eine Gebühr von 4,- Mark erhältlich unter 040 / 41 56 27 46 oder hoerspielbroschuere@ndr.de