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Abgestürzt und abgesoffen

Der Club an der Alster war nominell die erfolgreichste Mannschaft, Frank Pagelsdorf hatte das beste Näschen und im Handball blieb alles beim Alten: das Hamburger Sportjahr 2000  ■ Von Eberhard Spohd

Top in Europa war in diesem Jahr der Club an der Alster. Die Hockey-Cracks feierten mit dem Gewinn des Europapokals der Landesmeister den größten Triumph der Vereinsgeschichte. Noch schöner aber: Bundestrainer Paul Lissek nahm keinen der Alster-Stars mit zu Olympia. Die gerechte Strafe für die Missachtung des Meister war der Absturz des Nationalteams in Sydney. Am allerschönsten aber: Alster zeigte sich versöhnlich und überließ in diesem Jahr die Feldhockey-Meisterschaft wieder dem Harvestehuder THC. Im Siebenmeterschießen holte sich Chritian Büdi Blunck den letzten Titel seiner Karriere. Nach dem Finale trat die Hamburger Legende endgültig zurück. Foto: Knut Henkel

Den Grand Slam gibt es nicht nur im Tennis: Im Baseball konnten sich die Lokstedt Stealers mit einem Grand Slam Homerun, geschlagen von Chris Bradley, im Oktober den Deutschen Meistertitel sichern. Gleich vier Punkte auf einmal fuhr der Spielertrainer durch seinen Wunderschlag im vierten Inning ein. Der Schluck aus dem Pokal war der verdiente Lohn.

Foto: Stealers

Geglückte Revanche nahmen die Rugby-Frauen des FC St. Pauli. Erstmals nach fünf Jahren besiegten sie im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft wieder einmal die Dauerrivalinnen vom SC Heidelberg-Neuenheim. Ihren zweiten Titel brachten sie dabei ziemlich souverän nach Hause: Gleich mit 39:3 schlugen sie die Abonnementsmeisterinnen der Vorjahre.

Foto: Stephan Pflug

Viel Geld, viel Ärger, mit diesen vier Worten lässt sich das Jahr des Hamburger SV zusammenfassen. Die Qualifikation zur Cham-pions League spülte viele Millionen in die Kassen des Bundesligis-ten, spielerisch konnten die Rothosen in diesem Jahr aber nicht überzeugen. Rund um das neue Stadion versinken die Zuschauer weiterhin im Schlamm, die Arena selbst, so stellt sich langsam heraus, ist doch nicht so toll wie immer gepriesen. Immerhin gibt es einen neuen Aufsichtsrat, in dem der Ex-Bürgermeister Henning Voscherau quasi die ausgeschiedene Kontrolleuse Dagmar Berghoff ersetzt. Und Trainer Frank Pagelsdorf kann für sich in Anspruch nehmen, die qualifizierteste Aussage zum Kokain-Fall Daum gemacht zu haben, als er forderte: „Da muss sich jeder an die eigene Nase fassen.“

Foto: Henning Scholz

Alle Jahre wieder das gleiche Spiel im hohen Handball-Norden. Die SG Flensburg-Handewitt führt bis kurz vor Saisonende die Tabelle der Bundesliga an, um im letzten Moment doch noch vom THW Kiel abgefangen zu werden. Auch zum Jahresende 2000 liegt die SG drei Punkte vor ihren Rivalen aus der Landeshauptstadt – ein schlechteres Omen ist kaum denkbar. Auch wenn in dieser Saison der Kampf um die Meisterschaft kein Zwei- sondern ein Vierkamp werden dürfte, schließlich rechnen sich auch Magdeburg und Wallau Chancen aus. Einziger Trost für die Flensburger: Über den Pokalgewinn wird Staffan Olsson nicht wieder so schön jubeln können wie im vergangenen April. Aus diesem Wettbewerb sind die Kieler bereits ausgeschieden. Foto: Stephan Pflug

Abgesoffen bei den Olympischen Spielen ist Sandra Völker. Die Schuld dafür nahm ihr Trainer und Ex-Freund Dirk Lange auf sich. Er habe die Schwimmerin falsch trainiert. Sie sei nicht zu Olympia fit gewesen, wie es der Trainingsplan vorgesehen habe. Erst nach Sydney hätte Sandra ihren Leistungshöhepunkt erreicht. Da war es wenig tröstlich, dass sich auch die Kolleginnen und Kollegen ziemlich schwach präsentierten. Eine schlappe Bronzemedaille in der Staffel war zu wenig. Da nutzt es auch nichts, im nadelgestreiften Anzug eine gute Figur zu machen. Gute Miene zu bösem Spiel heißt sowas. Foto: boco/Holger Scheibe

 Glänzend Regie geführt hat bislang Dietmar Demuth. Obwohl der FC St. Pauli mit dem kleinsten Etat aller Profivereine auskommen muss, hat der Trainer sein Team ganz nach oben gebracht. Bis mindestens Ende Januar stehen die Braun-Weißen auf Platz zwei der Tabelle. Gute Laune und offensiver Fußball reichen offenbar in der Zweiten Liga völlig aus, einen Gegner nach dem anderen abzuschießen. Die Belohnung dafür ist klar: Die halbe Bundesliga möchte Stürmerstar Ivan Klasnic verpflichten, die andere Hälfte will Flügelflitzer Christian Rahn unter Vertrag nehmen. Wer bei diesem Poker zu kurz kommt verhandelt mit Mittelfeldmotor Thomas Meggle. Vielleicht bleibt das Trio ja im Aufstiegsfall dem Millerntor-Publikum erhalten. Foto: Stephan Pflug

Schnelle Wechsel auf der Managerposition mussten die BCJ Tigers verkraften. Zunächst verließ im März Carsten Rühl (links) den Basketball-Bundesligisten, im September warf dessen Nachfolger Axel Cadow das Handtuch. Ausschließlich aus privaten Gründen, wie beide betonten. Überlastung am Arbeitsplatz betrifft einen eben ganz privat und hat mit dem Brötchengeber gar nichts zu tun. Und wenn man sich dann die kahle Brust der Spieler anschaut – ein Hauptsponsor lässt weiter auf sich warten – und die Feindschaft der Korbwerfer untereinander – Duane Woodward war zwar einer der bes-ten Spieler der Tiger, langte aber hin und wieder einem Mitspieler eine – ansieht, kann es einem um die Zukunft im Oberhaus schon einmal bange werden. Foto: wap

Den Absturz des Jahres legten die Blue Devils hin. Vom Titelfavoriten zur Konkursmasse in wenigen Wochen, das bekommt kaum jemand so elegant hin wie Präsident Axel Gernert und seine Compagneros in der Verwaltung des Football-Klubs. Die hohen Mieten im Volksparkstadion, seltsame Sponsorenverträge und ganz allgemein dubioses Finanzgebaren stürzten den Verein in ein Elend, das sich gewaschen hat. Ein Neuanfang im Jahr 2001 soll ohne Gernert gemacht werden. Die Lizenz für die German Football League haben die Teufel gegen Auflagen erhalten, und ein neuer Spielort steht auch schon fest: Ab Juli spielen sie am Millerntor. Foto: Stephan Pflug

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