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Wie Ulrich Müther zum Exoten der DDR-Architektur wurde

Ulrich Müther (65) war stets ein Exot in der DDR-Architektur. Mit seinen Spritzbetonkonstruktionen zeigte er, dass Beton mehr kann als Plattenbau und Berliner Mauer. Trotz Parteilosigkeit, bürgerlichem Elternhaus und Studienzulass nur über den Umweg einer Zimmermannslehre schickten ihn die Genossen als Devisenbringer ins Ausland: In Helsinki, Wolfsburg, Tripolis errichtete Müther Schalenbauten. Mit dem Fall der Mauer war für den Ingenieur die Glanzzeit vorbei – zumindest in Deutschland. Im Ausland erhält er Lorbeeren. 1997 bei der Weltausstellung der Bauingenieurskunst „l’art de l’ingenieur“ im Centre Georges Pompidou war Ulrich Müther der einzige Deutsche, dessen Bauten geehrt wurden. 1999 proklamierte das britische Architektur- und Lifesyle-Magazin Wallpaper den Rügener als eine der „100 Entdeckungen des Jahres“. Geholfen hat Müther das nicht, hierzulande werden seine Konstruktionen abgerissen. Im Herbst musste das „Ahornblatt“, die ehemalige Großkantine „für die Organe des Ministerrats“, in Berlin dran glauben. Andere Spannbetonkonstruktionen im Osten verfallen. Die Gesellschaft leistet sich keine Gesellschaftsbauten mehr. Großgaststätten, Ausstellungshallen und Planetarien werden selten gebaut. Doch jenseits der deutschen Grenzen spricht man von der Renaissance der Betonschale. In den Niederlanden entstehen wieder Bauten in Spritzbetontechnologie. Mit dem Abriss des „Ahornblattes“ wurde paradoxerweise auch hier dessen Erbauer wiederentdeckt: Studenten und Architekten interessieren sich für die „DDR-Moderne“ mit ihren Müther-Schalen. Nun ist der Ingenieur dabei, eine Forschungsstelle „Schalenbau“ in Prora aufzubauen. FOTO: WOLFGANG BORRS

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