: Parlament in Prag fordert Rücktritt
Das tschechische Abgeordnetenhaus fordert den umstrittenen Direktor des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zum Rücktritt auf. Heute kommt der Fernsehrat zu Beratungen über eine mögliche Entlassung Hodacs zusammen. Der Streik geht indes weiter
PRAG rtr/ap ■ Das tschechische Abgeordnetenhaus hat den umstrittenen Generaldirektor des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zum Rücktritt aufgefordert. Der sofortige Amtsverzicht von Jiri Hodac sei eine notwendige Voraussetzung für eine Lösung der Krise des Fernsehens, hieß es in einer Resolution am Samstag. In der mit 93 zu 63 Stimmen verabschiedeten Erklärung wird der Fernsehrat aufgefordert, Hodac zu entlassen, sollte dieser nicht freiwillig am Samstag zurücktreten. Journalisten des Senders halten die Nachrichtenredaktion aus Protest gegen Hodac, dem sie politische Parteinahme vorwerfen, besetzt.
Die Resolution ist weder für Hodac noch für den Fernsehrat bindend. Das tschechische Parlament erwägt jedoch eine Änderung des Rundfunkgesetzes, die bereits bei der nächsten Sitzung des Abgeordnetenhauses am Freitag verabschiedet werden könnte. Danach würde der jetzige Fernsehrat durch ein Gremium ersetzt, das nicht mehr von Politikern, sondern von Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen bestimmt würde. Beobachter gehen davon aus, dass ein solcher Rat Hodac absetzen würde.
Die Mitglieder des Fernsehrats, die heute wieder zusammenkommen, sind in der Haltung zu Hodac uneins. Der Ratsvorsitzende, Miroslav Mares, bezeichnete am Samstag die Resolution als politischen Druck des Parlaments. Er werde Hodac dennoch unterstützen, sagte Mares. Er schloss jedoch nicht aus, dass sich eine Mehrheit des Rats für dessen Absetzung aussprechen wird. Andere Ratsmitglieder sagten, sie wollten der Aufforderung des Parlaments folgen.
Hodac äußerte sich zu dem Beschluss des Parlaments zunächst nicht. Er war nach seinem Nervenzusammenbruch vom Donnerstag weiter im Krankenhaus. Nach Angaben seiner Ärzte ging es ihm besser, so dass er nach dem Wochenende entlassen werden könne.
Die Proteste der Journalisten treffen in der Öffentlichtkeit auf große Zustimmung. Neben Sozialdemokraten, Gewerkschaftern und Politikern anderer Parteien hat auch Präsident Václav Havel den Rücktritt von Hodac gefordert. „Ich freue mich, dass der gesunde Menschenverstand gesiegt hat“, sagte Havel nach der Abstimmung. Am Mittwoch hatten zehntausende Menschen auf dem Wenzelsplatz in Prag für Pressefreiheit demonstriert. Die Demonstration war die größte seit den Protesten, die 1989 zum Sturz der kommunistischen Regierung führten.
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