: Das Baugewerbe schrumpft weiter
Vor allem auf dem Bau ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt dramatisch. Waren Mitte der 90er-Jahre noch 56.000 Bauarbeiter beschäftigt, soll die Zahl in diesem Jahr auf unter 20.000 sinken. Gewerkschaft gegen EU-Freizügigkeit
Deutlicher könnten die Worte nicht sein. Laut dem Arbeitsamt Berlin-Brandenburg ist die Berliner Wirtschaft im vergangenen Jahr „auf den Wachstumspfad zurückgekehrt“. Der Aufschwung, der sich auch in einem leichten Rückgang der Arbeitslosenzahlen ausdrückt, sei dabei vor allem von den privaten Dienstleistern getragen. In der Bauwirtschaft dagegen, so das Arbeitsamt, „setzte sich der Schrumpfungsprozess fort“.
17.300 Bauarbeiter waren nach Angaben des Arbeitsamts im Jahr 2000 arbeitslos. Gleichzeitig nahm die Zahl der offenen Stellen auf 7.400 ab. Das sind 27,2 Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Entsprechend düster sieht deshalb die Prognose aus, die die Fachgemeinschaft Bau für das Jahr 2001 vorgelegt hat. Ein Rückgang des Bauvolumens in Berlin um rund vier Prozent, so die Fachgemeinschaft, die die kleinen und mittleren Bauunternehmen vertritt, würde einen Verlust von 9.000 Arbeitsplätzen und einen Anstieg der Firmenpleiten auf 600 bedeuten.
Ins gleiche Horn bläst auch der Chef der IG BAU in Berlin und Brandenburg, Klaus Pankau: „Entgegen früheren Prognosen ist das Ende der Talsohle noch nicht erreicht.“ Noch in diesem Jahr, so lautet Pankaus Befürchtung, könnte die magische Zahl von 20.000 gewerblich Beschäftigten auf dem Bau unterschritten werden. Pankau hält es inzwischen nicht einmal mehr für ausgeschlossen, dass es auf dem Bau sogar einen „vollständigen Exitus“ mit einer Beschäftigtenzahl unter 10.000 geben kann. Zum Vergleich: Mitte der Neunzigerjahre waren noch 56.000 Arbeitnehmer auf den Berliner Baustellen registriert.
Als Ursache für „das Desaster“ nennt Pankau sowohl den Rückgang des Auftragsvolumens in der Bauwirtschaft als auch den fortdauernden „Verdrängungswettbewerb“. Viele Firmen würden heute teilweise unter der Kostendeckung kalkulieren, für den Gewerkschaftschef ein klarer Fall von „illegaler Beschäftigung“. Knapp ein Drittel aller Beschäftigten, schätzt Pankau, seien illegal. Mit dem EU-Beitritt Polens würde sich diese Entwicklung noch beschleunigen, so Pankau. Schließlich herrschte an der deutsch-polnischen Grenze ein Lohngefälle wie sonst nur zwischen den USA und Mexiko.
Während die IG BAU als Maßnahme gegen den weiteren Absturz der Berliner Bauwirtschaft eine Verlängerung der vorgesehenen Fristen für die Freizügigkeit bei der EU-Osterweiterung eintritt, setzen die mittelständischen Arbeitgeber dagegen ganz auf die Lohnsenkung. UWE RADA
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