: Konjunktur stützt Rot-Grün noch einmal
Mit 3,1 Prozent übertraf das Wirtschaftswachstum des vergangenen Jahres die Erwartungen – und das trotz des sommerlichen „Ölpreisschocks“. Motor war wieder einmal der Export. Für das Jahr 2001 sieht es jedoch mau aus
BERLIN taz ■ Für Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hätten die Zahlen kaum günstiger platziert sein können. Während sich alle Welt noch über das Ene-mene-muh im Kabinett mokierte, hatte er bereits ein neues Thema: Was will man mehr, als sich nach zwei Amtsjahren ein wirtschaftliches „Neunjahreshoch“ zuschreiben zu können?
Um 3,1 Prozent hat das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach Angaben des Statistischen Bundesamts im vergangenen Jahr zugenommen. Das ist beinahe doppelt so viel wie im Vorjahr, das mit 1,6 Prozent ziemlich genau den durchschnittlichen Wert seit dem Anschluss der DDR repräsentiert hatte. Und es übertraf sogar die Erwartungen: Die ersten Prognosen von Ende 1999 hatten noch um bis zu 0,7 Prozentpunkte niedriger gelegen. Auf die Beschäftigung wirkte sich das Wachstum allerdings nur im Bundesdurchschnitt und im Westen aus. Gesamtdeutsch sank die Arbeitslosigkeit von 10,3 auf 9,3 Prozent, im Osten liegt sie immer noch über 17 Prozent.
Der Blick über die Grenzen relativiert die Zahlen weiter. So liegt Deutschland nicht nur gegenüber den USA, deren Wirtschaft noch einmal um 5,1 Prozent zulegte, sondern auch in Europa weiterhin zurück. Im Durchschnitt kamen die EU-Länder auf ein Wachstum von 3,4 Prozent. Vor allem aber ist die Entwicklung maßgeblich von Faktoren vorangetrieben worden, auf die die Bundesregierung kaum Einfluss hat: Konjunkturmotor war wieder einmal der vom schwachen Euro beflügelte Export mit einem Plus von 12,9 Prozent. Bei den privaten Ausgaben, die eine entsprechende Finanzpolitik hätte ankurbeln können, tat sich hingegen weniger als im Jahr zuvor. Im Bau, der von staatlicher Wirtschaftspolitik profitieren könnte, ging es weiter abwärts.
Wegen dieser Abhängigkeit von Weltwirtschaft und Geldpolitik sind die Prognosen für 2001 vor allem von Unsicherheit geprägt. Während Schröder noch mit dem Pfund vom letzten Jahr wucherte, hieß es gestern im Finanzministerium, wo man zuletzt von „bis zu drei Prozent Wirtschaftswachstum“ gesprochen hatte, die „Dynamik“ werde „voraussichtlich etwas nachlassen“. Die Wirtschaftsforscher, die im Herbstgutachten eine BIP-Zunahme von 2,7 Prozent erwartet hatten, sind da skeptischer. Sie haben ihre Prognosen beinahe unisono auf 2,4 bis 2,5 Prozent revidiert. BEATE WILLMS
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