: Streiten statt verwalten
■ Auf Einladung der Initiative Anstoß hält taz-Korrespondentin Bettina Gaus ein Plädoyer für den politischen Streit
Auf den ersten Blick gleicht Politik nichts mehr als einer endlosen Streiterei. Die Opposition beschimpft die Regierung. Die Regierung lästert über die Opposition. Die FDP streitet bevorzugt mit sich selbst. Und einzig darüber, dass man Ex-Kanzler Helmut Kohl zurzeit blöd findet, herrscht über alle Parteigrenzen hinweg weitgehend Einigkeit. Der erste Blick aber trügt, glaubt man Bettina Gaus, die am Sonntag in der Galerie Rabus einen Vortrag halten wird.
Nicht Streit-, sondern Konsenssucht ist aus Sicht der taz-Korrespondentin charakteristisch für die politischen Debatten in der Bundesrepublik. Unter der Oberfläche verbaler Übertreibungen, persönlicher Beleidigungen und der Zulieferung schmissiger Zitate für die skandalverliebten Medien leidet die politische Klasse am ausgeprägten Hang zur Konfliktvermeidung. Anstelle des Disputs über die richtige Sache diktiert das von ExpertInnenrunden flankierte Argument vom alternativlosen Sachzwang die Programmatik der Parteien. Ob EU-Erweiterung, Kosovo-Krieg oder Euro – PolitikerInnen begleiten diese an sich kontroversen Themen zunehmend als moderierende VerwalterInnen, gefangen in einem unentwirrbaren Geflecht aus lobbyistischen Interessen. Parteien, so Gaus, fungieren von daher heute eher als Verwalter der Macht denn als Verfechter konkurrierender Staats- und Gesellschaftsmodelle.
In ihrer im letzten Jahr veröffentlichten Streitschrift „Die scheinheilige Republik“ beklagt Bettina Gaus diesen Verlust an demokratischer Streitkultur, auf den die Bevölkerung zunehmend mit Entpolitisierung und dem Rückzug ins Private reagiert. Ihre Diagnose wird Bettina Gaus in ihrem Vortrag erörtern. Auf Einladung der Kulturinitiative Anstoß wird sie über Verhältnis von Öffentlichkeit und Politik unter dem Titel „Streiten oder Verwalten?“ sprechen. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr und soll zugleich ein alternativer Neujahrsanstoß sein, zu dem Anstoß Interessierte, Mitglieder der Kulturinitiative, Kulturschaffende und PolitikerInnen einlädt.
taz
Sonntag, 18 Uhr Galerie Rabus (Plantage 13)
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